Nahost: Ein alter Konflikt eskaliert neu

Jerusalem wird erstmals seit zwei Jahren wieder von einem Anschlag erschüttert. Auch im Gazastreifen gibt es blutige Kämpfe.

Tel Aviv/Gaza. Zwei Jahre nach Ende des Gaza-Krieges gehen Israel und die im Gazastreifen herrschende Hamas-Organisation wieder auf Konfrontationskurs. Die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der Grenze trägt die Folgen der politisch motivierten Gewalt. In Jerusalem gab es am Mittwoch den ersten Anschlag seit zwei Jahren.

Die schwere Explosion erschütterte am Nachmittag weite Teile der Stadt Jerusalem. Der Sprengsatz detonierte an einer Haltestelle in der Nähe des Kongresszentrums Binjanei Hauma. 40 Menschen wurden in Krankenhäuser gebracht. Eine 59-jährige Frau starb wenig später an ihren Verletzungen.

Der israelische Polizeiminister Izchak Aharonovich teilte mit, die Bombe sei etwa ein bis zwei Kilo schwer gewesen. An der Bushaltestelle war eine große Blutlache zu sehen. Hunderte von Schaulustigen drängten sich am Ort des Anschlags und behinderten die Rettungsarbeiten. „Es gab keine Hinweise auf einen geplanten Anschlag“, sagte Aharonovich. Die Gegend werde auf der Suche nach möglichen Tätern durchkämmt. Zunächst bekannte sich keine Gruppierung zu der Tat.

Es ist erst drei Monate her, da hatten sich die Palästinensergruppen im Gazastreifen verständigt, eine inoffizielle Waffenruhe mit Israel einzuhalten. Doch nach Wochen relativer Ruhe ist die Gewalt seit vergangener Woche wieder Schritt für Schritt eskaliert — bevor sie am Mittwoch in dem Jerusalemer Blutbad mündete.

Wie so oft zuvor hatten bis dahin militante Palästinenser vereinzelt Raketen oder Mörsergranaten auf das israelische Grenzgebiet abgefeuert. Die Antwort Israels veränderte aus Sicht der Hamas aber die ungeschriebenen Spielregeln. Israels Luftwaffe beschoss ein Ausbildungslager der Hamas in den Ruinen von Siedlung Netzarim. Zwei Hamas-Leute starben.

Zuvor, so argumentiert die Hamas, habe Israel immer nur nachts leerstehende Tunnel und Einrichtungen ihrer Organisation bombardiert, wenn militante Mitglieder anderer Palästinensergruppierungen Israel mit Raketen beschossen hatten. Israel habe stets Opfer vermieden. Nun öffnete auch die Hamas ihr Raketenarsenal und das alte Spiel begann von neuem: Auf Raketen folgten Luftangriffe der israelischen Armee und darauf wiederum Raketen und Mörsergranaten.

Talal Oukal von der Al-Azhar-Universität in Gaza hat folgende Theorie: „Die Palästinenser setzen auf Eskalation, um die Aufmerksamkeit der Welt zu gewinnen. Und die Hamas möchte aus der Verpflichtung herauskommen, Palästinenserpräsident Abbas in Gaza zu empfangen.“

Abbas wollte in der kommenden Woche nach Gaza reisen, um die Aussöhnung zwischen seiner Fatah und der Hamas voranzutreiben. Danach sollte bis September ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt werden. Der militante Flügel der Hamas wolle die Aussöhnung torpedieren, sagen Palästinenser in Gaza. Die Hamas wolle weiter allein im Gazastreifen herrschen.