Nato und Türkei warnen Syrien nach Abschuss von Jet

Brüssel/Istanbul (dpa) - Harsche Töne aus Ankara, Diplomaten in Sorge: Der Abschuss eines türkischen Militärjets durch syrische Soldaten hat die internationale Diplomatie in Alarmstimmung versetzt.

Nato und Türkei richteten deutliche Warnungen an das Regime von Machthaber Baschar al-Assad.

In einer von der Türkei beantragten Sondersitzung des Nato-Rates verurteilte das Bündnis den Abschuss als „inakzeptabel“. Eine solche militärische Aktion dürfe sich nicht wiederholen, hieß es am Dienstag in Brüssel.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte dem syrischen Volk Unterstützung bis zur Befreiung von „Diktator“ Assad zu. „Die Syrer sind unsere Brüder“, sagte Erdogan in einer vom Fernsehen übertragenen Rede in Ankara. „Bis sich das syrische Volk von diesem Diktator mit blutbefleckten Händen befreit hat, wird die Türkei ihm (dem Volk) jede Art von Unterstützung zuteilwerden lassen.“

Die schwierigen Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Erdogan sprach von einem feigen Akt des Assad-Regimes. Syrien habe vor dem Abschuss keine Warnung abgegeben und auch nicht versucht, mit der Türkei Kontakt aufzunehmen. „Das war eine absichtliche Handlung von geplanter Feindseligkeit.“

Bei weiteren Zwischenfällen werde sein Land mit Gewalt zurückschlagen, so der Regierungschef. „Wir haben die Einsatzregeln der türkischen Streitkräfte geändert“, sagte Erdogan. „Jeder syrische Soldat, der sich der türkischen Grenze nähert, wird jetzt als eine Bedrohung betrachtet.“ Der Zorn der Türkei könne gewaltig sein.

Bei dem Abschuss waren am Freitag beide Piloten ums Leben gekommen. Nach türkischen Angaben griffen die syrischen Militärs auch einen Rettungsflieger an, der am Unglücksort im Einsatz war. Sie hätten die Attacke aber nach türkischer Intervention beendet.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mahnte: „Es ist meine eindeutige Erwartung, dass die Lage nicht weiter eskalieren wird.“ „Was wir gesehen haben, ist völlig inakzeptabel. Und ich erwarte, dass Syrien alle nötigen Maßnahmen ergreift, um so etwas in der Zukunft zu verhindern“, sagte er vor Journalisten.

Auf die Frage, was die Nato tun werde, falls Syrien doch erneut ein türkisches Flugzeug angreife, antwortete Rasmussen zurückhaltend: „Sollte irgendetwas passieren, werden sich die Verbündeten mit der Entwicklung befassen. Wir beobachten die Lage genau. Und nötigenfalls werden wir beraten, was sonst getan werden könnte.“

Russland rief Syrien und die Türkei zur Zurückhaltung auf. „Es ist wichtig, dass dieser Zwischenfall nicht als Provokation oder Absicht angesehen wird und auch nicht zu einer weiteren Destabilisierung führt“, sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch in Moskau. Die UN-Vetomacht Russland sei „besorgt“ über die aktuelle Entwicklung, betonte er nach Angaben der Agentur Interfax.

Syrien-Sondervermittler Kofi Annan hofft auf ein erstes Treffen der sogenannten Syrien-Kontaktgruppe noch in dieser Woche. Bedingung sei aber, dass über konkrete Ergebnisse gesprochen werde, vor allem die Umsetzung seines Friedensplanes. Um den zu unterstützen, dringt Deutschland auf Sanktionen. Annan hatte ein Treffen der Kontaktgruppe für den Samstag in Genf vorgeschlagen. Teilnehmer sollten die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich - und die Anrainerstaaten sein.

Russland würde nach Angaben seines UN-Botschafters Witali Tschurkin teilnehmen. Moskau gilt als einzige Macht mit entscheidendem Einfluss auf Damaskus. Russland hatte das Regime immer wieder mit Waffen versorgt.

Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig hatte vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrats erneut Berlins Forderung nach einer Sanktionsresolution des mächtigsten UN-Gremiums erneuert: „Wir wollen Annans Bemühungen aktiv unterstützen. Hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit des Sicherheitsrates insgesamt.“

Trotz weit mehr als 10 000 Toten hat der Sicherheitsrat noch keine Resolution verabschiedet. Selbst zaghafte Versuche wurden von Russland und China blockiert.

Syrien versinkt weiter in Gewalt und Chaos. Binnen weniger Stunden wurden am Dienstag nach Angaben von Aktivisten mindestens 58 Menschen getötet. Die meisten Opfer habe es in den Vorstädten Duma und Al-Amaa bei Damaskus gegeben, hieß es in den telefonisch aus Damaskus übermittelten Berichten.

In Duma hat diesen Angaben zufolge bereits am Vortag eine Massenflucht von Zivilisten eingesetzt. Fünf Menschen wurden in der südlichen Provinz Daraa wie bei einer Hinrichtung erschossen, hieß es. Nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachtungsstelle in London kamen allein am Montag landesweit mehr als 100 Menschen ums Leben, unter ihnen 65 Zivilisten.

Die Informationen lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen, weil das Assad-Regime den Medien keinen Zugang zu den Schauplätzen gewährt.