Neue Kämpfe um Gaza
Gaza/Tel Aviv (dpa) - Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat eine Fortsetzung der Militäroffensive gegen die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen angekündigt. „Wir werden den Einsatz nicht beenden, bevor wir die Tunnel zerstört haben“, erklärte er in einer Fernsehansprache.
„Die israelischen Bürger können nicht unter der Bedrohung durch Raketen und Tunnel leben - unter Todesdrohung von oben und von unten“, fügte er hinzu. Nach Augenzeugenberichten flammten die Gefechte am Abend wieder heftig auf. Vielerorts in Gaza waren schwere Explosionen zu hören.
Das israelische Militär stoppte einen Durchbruchsversuch von Hamas-Kämpfern durch einen Tunnel auf israelisches Staatsgebiet. Dabei wurde ein Palästinenser getötet, nach anderen Militanten wurde gesucht, wie es hieß. Zuvor war von vier getöteten Palästinensern die Rede. Bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen starben nach Angaben der palästinensischen Rettungsdienste binnen weniger Stunden 18 Menschen, darunter auch Kinder.
Die israelische Armee rief die Einwohner in Teilen des Gazastreifens zur sofortigen Räumung ihrer Häuser auf. Die Warnungen seien an Palästinenser in Sadschaija, Saitun und dem östlichen Teil von Dschebalia sowie in Beit Lahia und Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen geschickt worden, teilte die Armee mit.
Die Zivilisten sollten sich ins Zentrum der Stadt Gaza begeben, hieß es in den Botschaften, die per Telefon oder SMS übermittelt wurden. Die Armee sendet solche Mitteilungen für gewöhnlich vor massiven Angriffen.
Bei einem Mörsergranaten-Angriff militanter Palästinenser waren zuvor vier israelische Soldaten getötet worden. Es war der Angriff mit den meisten Opfern in Israel seit Beginn der Militäroffensive im Gazastreifen am 8. Juli.
Wie Netanjahu in seiner Ansprache weiter sagte, ist der Kampfeinsatz gegen die Hamas-Tunnel der „erste Schritt zur Entmilitarisierung des Gazastreifens“. Verteidigungsminister Mosche Jaalon, der neben ihm stand, erklärte: „Wir werden nicht zögern, unsere Aktionen auszuweiten, um der Hamas noch mehr Schaden zuzufügen.“
Führende westliche Nationen forderten eine sofortige, bedingungslose und humanitäre Waffenruhe. Zugleich äußerten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatschef François Hollande, der britische Premier David Cameron und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi in einer Telefonkonferenz besorgt über das Risiko einer weiteren Eskalation.
Im Gaza-Krieg sind binnen drei Wochen mehr als 1000 Palästinenser getötet und weitere 6000 verletzt worden. Auf israelischer Seite starben 48 Soldaten und drei Zivilisten. Auslöser der jüngsten Eskalation war der gewaltsame Tod dreier israelischer Teenager und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen.
Palästinensische Stellen teilten mit, das Al-Schifa-Krankenhaus und das Schati-Flüchtlingslager seien von israelischen Raketen getroffen worden. Das israelische Militär bestritt dies. Es habe sich um Einschläge fehlgeleiteter Raketen gehandelt, die militante Palästinenser im Gazastreifen abgeschossen hätten.
Die blutigen Zwischenfälle ereigneten sich am Ende eines Tages, an dem die muslimische Bevölkerung von Gaza Eid al-Fitr, das Fest des Fastenbrechens im Anschluss an den Ramadan, beging. Bis dahin hatten sich Israel und die militanten Palästinenser mit Angriffen zurückgehalten.
Der internationale Druck zur Beendigung des Blutvergießens wird indes stärker. Auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen forderte eine „sofortige und bedingungslose humanitäre Waffenruhe“ zwischen Israel und der Hamas. Die Konfliktparteien sollten die Kampfhandlungen einstellen, um Hilfe möglich zu machen, hieß es in einer Erklärung des UN-Gremiums. Der Rat sei „tief besorgt“ wegen der Verschärfung der Lage und des Todes von Zivilisten, hieß es in der Erklärung.
Der UN-Vertreter der Autonomiebehörde, Rijad Mansur, wiederholte die Forderung nach einem „Schutz durch die Vereinten Nationen“ für die Palästinenser. Israels UN-Botschafter Ron Prosor sagte, die Hamas greife Schulen, Busse und Cafés an. „Der Terror ist vor unserer Haustür.“
Netanjahu bemängelte bei einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, die Erklärung des Sicherheitsrates befasse sich nur „mit den Bedürfnissen einer mörderischen Terrororganisation, die israelische Zivilisten angreift, und nicht mit Israels Sicherheitsbedürfnissen“. Auch US-Präsident Obama hatte bei einem Telefonat mit Netanjahu eine sofortige und bedingungslose humanitäre Feuerpause verlangt. Ziel müsse eine dauerhafte Waffenruhe sein.
Obama verurteilte die Hamas-Angriffe scharf und bekräftigte das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Er äußerte aber erneut wachsende Sorge über die Zahl der getöteten palästinensischen Zivilisten, über die israelischen Opfer und die humanitäre Lage in Gaza.