Polens Regierungschefin verteidigt umstrittene Reformen
Straßburg (dpa) - Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo will die Europäer von der Rechtmäßigkeit der umstrittenen Reformen ihrer Regierung überzeugen. Sie und ihre Regierung seien bereit, bei allen strittigen Themen Frage und Antwort zu stehen, sagte sie vor dem EU-Parlament in Straßburg.
Zugleich verteidigte die nationalkonservative Politikerin die Justizreform und ein neues Mediengesetz, die beide gegen keine europäischen Vorschriften verstießen.
Die EU-Kommission und der EU-Ratsvorsitz kritisierten die umstrittenen Gesetze hingegen mit klaren Worten, zeigten sich aber gesprächsbereit. EU-Vizekommissionschef Frans Timmermans verwies auf einen neuen Brief der polnischen Regierung, mit dem Warschau auf Bedenken der Europäer wegen möglicher Verstöße gegen europäische Grundwerte reagiert hatte. Die bisherigen Antworten seien nicht ausreichend gewesen, um die Bedenken der Kommission auszuräumen, sagte der Kommissar. Zum Inhalt des Briefes äußerte er sich nicht, doch er werde den neuen Brief „kooperativ und konstruktiv“ prüfen.
Sehr viel schärfer fiel die Kritik der Abgeordneten der großen Fraktionen aus. Viel Beifall erhielt der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Guy Verhofstadt. Er forderte Szydlo auf, die Proteste der polnischen Bürger gegen die Reformen zu berücksichtigen. Demokraten würden nie eine parlamentarische Mehrheit dazu nutzen, „um das System der Gewaltenteilung in einem Land zu zerlegen“.
Von einem „traurigen Tag“ sprach der polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk nach der Debatte im EU-Parlament. „Zum ersten Mal in der Geschichte unserer Präsenz in Europa sind wir Gegenstand einer ziemlich traurigen Debatte“, sagte der frühere polnische Regierungschef nach dem Auftritt Szydlos. Die Vertreter der polnischen Regierung müssten ihr Vorgehen verteidigen, das „in Europa und der Welt in Frage gestellt wird und viele Emotionen wachruft“, sagte er vor Journalisten in Straßburg.
Szydlo betonte, die Justizreform sei nach Änderungen der vorherigen Koalitionsregierung notwendig gewesen, um ein Gleichgewicht bei den Ernennungen der Richter zu schaffen. Mit dem neuen Mediengesetz sollten die öffentlichen Medien durch eine „solide Finanzierung“ gestärkt werden.
Die EU-Kommission hatte vor einer Woche erstmals einen 2014 geschaffenen Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Gang gebracht und Warschau damit unter Druck gesetzt. Die seit November 2015 amtierende national-konservativen Regierung Polens hatte mit einer umstrittenen Justizreform und einem neuen Mediengesetz international Kritik auf sich gezogen.