Interview Politische Lage in Großbritannien: „Wie bei Shakespeare“

Nach Ansicht des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), gleicht die politische Lage in Großbritannien einem Drama in mehreren Akten. Die Uhr für die Brexit-Verhandlungen laufe, so Roth im Gespräch mit unserer Redaktion.

Außenamts-Staatsminister Michael Roth glaubt, dass die Brexit-Verhandlungen nach der Wahl für Großbritannien schwieriger werden.

Foto: Can Merey

Herr Roth, wie bewerten Sie den Wahlausgang in Großbritannien?

Michael Roth: Das ist ein Paukenschlag, mit dem nur wenige gerechnet haben. Offenkundig hat sich Theresa May verspekuliert. Sie hat sich eine klare Mehrheit für ihren weiteren Kurs gewünscht. Davon ist sie weit entfernt.

May will im Amt bleiben und die neue Regierung bilden. Hätte sie nicht zurücktreten müssen?

Roth: Was wir derzeit in London erleben, ist ja ein Drama in mehreren Akten, wie es Shakespeare nicht besser hätte schreiben können. Aber ich will mich in die inneren Angelegenheiten der britischen Konservativen nicht einmischen. Wir haben ein großes Interesse daran, dass Großbritannien wieder zusammengeführt wird und es in London alsbald eine handlungsfähige Regierung gibt. Das dürfte nicht einfach werden, weil es in Großbritannien kaum Erfahrungen mit wechselnden Mehrheiten und Koalitionsregierungen gibt.

Werden die Brexit-Verhandlungen jetzt schwieriger oder leichter?

Roth: Offenkundig wird es noch schwieriger für das Vereinigte Königreich. Denn es muss jetzt schnellstmöglich klar sein, auf welcher Grundlage Großbritannien in die Verhandlungen eintritt. Die Uhr läuft. Spätestens bis März 2019 müssen die Verhandlungen definitiv abgeschlossen sein. Die Europäische Union der 27 ist dafür exzellent vorbereitet. Aber sind es die Briten auch? Wir haben der EU-Kommission jedenfalls ein klares Mandat erteilt. Die EU steht geschlossen zusammen.

Aber Brexit bleibt Brexit?

Roth: Ich befürchte es, so traurig das auch ist. Das hat Theresa May immer wieder deutlich gemacht. Und auch Labour hat keinen Zweifel daran gelassen, am knappen Wählervotum für den Austritt aus der EU festzuhalten. Meine Solidarität gilt insbesondere den jungen Briten, die mit großer Mehrheit für Europa eintreten.