Putins Rückkehr entfacht neue Ängste
Zwar hat der wiedergewählte Präsident Reformen versprochen. Doch die Opposition fürchtet, dass er die Zügel noch weiter anzieht.
Moskau. Mit dem zweitbesten Wahlergebnis seiner Karriere tritt Wladimir Putin seine umstrittene Rückkehr in den Kreml an. Doch dieser von Betrugsvorwürfen überschattete Sieg mit wohl mehr als 60 Prozent der Stimmen bedeutet für Putin nach Meinung von Beobachtern kein einfaches Regieren. Seine Gegner erkennen das Ergebnis nach einem als schmutzig kritisierten Wahlkampf nicht an.
Nach der Amtseinführung im Mai will Putin die Atommacht zum dritten Mal wie schon von 2000 bis 2008 als „allmächtiger“ Kremlchef führen. Das schaffte vor ihm noch keiner. Zudem kann er gemäß geänderter Verfassung erstmals sechs Jahre und damit zwei Jahre länger regieren.
Angesichts der hohen Ölpreise, der immensen Rohstoffressourcen und des großen Wirtschaftspotenzials der Energiegroßmacht Russland strotzt der 59-Jährige vor Selbstbewusstsein. Er verfehlte zwar seine persönliche Bestmarke von 71 Prozent der Stimmen bei der Wahl 2004. Doch an Putins Machtwillen hat niemand einen Zweifel.
„Wer, wenn nicht Putin?“ war das allgegenwärtige Motto dieses Wahlkampfes. Tatsächlich galt nach Umfragen niemand seiner vier Mitbewerber oder auch unter den Oppositionellen, die gar nicht erst zur Wahl zugelassen waren, als stark genug, Putin das Zepter der Macht abzujagen.
Gleichwohl bezweifeln viele Beobachter und vor allem die Opposition, dass sich Putin angesichts dieses umstrittenen Ergebnisses dauerhaft wird halten können. Sie sehen Russland längst vor einer Zeitenwende. Der Druck einer wachsenden Mittelschicht, die mehr demokratische Freiheiten einfordert, wächst.
Putins Gegner sehen ihn als geschwächt, weil er sich nach der Parlamentswahl vom Dezember nun einmal mehr dem Vorwurf ausgesetzt sieht, den Sieg mit unfairen Mitteln errungen zu haben. Bei der Kritik geht es auch um den Missbrauch von Staatsmedien und Behördenressourcen für politische Zwecke und Druck auf Wähler im öffentlichen Dienst.
Das deutliche Ergebnis schürt nach Meinung von Experten neue Ängste, der Ex-Geheimdienstchef könnte die Daumenschrauben weiter anziehen. Zwar hatte Putin selbst erst kurz vor der Wahl versprochen, die Zügel der Macht nicht noch fester zu halten. Er stellte sogar politische Reformen in Aussicht. Doch mehr Demokratie, das weiß er, könnte letztlich sein politisches Ende bedeuten.
Vielen bereitet die Aussicht Unbehagen, dass Putin bei jetzt erneut zwei möglichen Amtszeiten hintereinander noch bis 2024 im Kreml sitzen könnte. Internetforen sind voll von Diskussionen junger, gut ausgebildeter Menschen, die angesichts der festgefahrenen Strukturen von Korruption und Vetternwirtschaft für sich keine Zukunft sehen und lieber ins Ausland gehen wollen. Auch die Kapitalflucht aus Russland ist riesig.