Raketenhagel in Israel bedroht die Friedensgespräche

Die Hamas will offenbar von den prekären humanitären Verhältnissen im Gaza-Streifen ablenken.

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Tel Aviv/Gaza. Schon wieder Sirenengeheul, die Menschen in Süd-Israel lassen alles stehen und liegen und rennen um ihr Leben zum nächsten Bunker. Denn militante Palästinenser im Gazastreifen feuern eine Raketensalve nach der anderen auf grenznahe Städte und Dörfer in Israel ab.

Dumpfe Detonationen sind zu hören, wenn die in der Enklave zusammengeschusterten Kleinraketen einschlagen. Wie durch ein Wunder kam in Israel niemand ernstlich zu Schaden, nur eine Frau zog sich leichte Verletzungen zu, als sie bei Vorwarnzeiten von nur wenigen Sekunden auf der Flucht stürzte.

Zu Schaden aber könnten die ohnehin extrem schwierigen und zunehmend vom Scheitern bedrohten Friedensgespräche kommen. Denn der Raketenhagel hat zwar nur einige Löcher in Bürgersteige und Fahrbahnen gerissen, aber er nährt die Angst auch friedenswilliger Israelis vor den Palästinensern. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnt denn auch fast täglich, der angestrebte Palästinenserstaat im Westjordanland dürfe auf keinen Fall zu einem zweiten Gazastreifen werden.

Sogar den notorisch optimistischen US-Außenminister John Kerry, der seit einem Jahr für einen Friedensschluss zwischen Israelis und Palästinensern kämpft, beschleichen offenbar langsam Zweifel am Erfolg seiner Mission. „Das Ausmaß des Misstrauens (zwischen Israel und den Palästinensern) ist größer als alles, was ich bisher gesehen habe“, sagte er bei einer Anhörung in Washington. „Keine Seite glaubt, dass es das Gegenüber wirklich ernst meint. Und keine Seite glaubt, dass die andere Seite zu den wichtigen Entscheidungen, die notwendig sind, bereit ist“, fügte er hinzu.

Das Ende seiner Bemühungen könnte schnell kommen. Wenn es Kerry nicht gelingt, in den nächsten Wochen eine Rahmenvereinbarung über den angestrebten Friedensvertrag zwischen Israel und Palästinensern unter Dach und Fach zu bringen, könnte Israel sich weigern, die vierte und letzte Gruppe palästinensischer Häftlinge wie vereinbart am 28. März freizulassen.

78 Häftlinge waren seit dem Beginn der Gespräche Ende Juli vergangenen Jahres frei gekommen, 26 fehlen noch. Wenn sie hinter Gittern bleiben, wird Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kaum weiter verhandeln können.

Die Gefahr eines Scheiterns der Friedensgespräche, die viele für lange Zeit als die letzte Chance betrachten, sieht auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Die Rechnung der Verantwortlichen für diese terroristischen Akte, so den schwierigen und immer noch fragilen Friedensprozess zu torpedieren, darf nicht aufgehen“, sagte er am Donnerstag.

Beobachter im Gazastreifen gingen davon aus, dass die Hamas das neue Kräftemessen mit Israel vor allem zulässt, um von der zunehmend prekären humanitären Situation im Gazastreifen abzulenken. Für die 1,6 Millionen Einwohner der überbevölkerten Enklave wird der tägliche Überlebenskampf im Zangengriff des ägyptischen Militärs und Israels immer schwieriger.