Röttgen lehnt Atomtransport nach Russland ab
Bonn (dpa) - Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat den umstrittenen Atommüll-Transport aus dem Zwischenlager Ahaus nach Russland vorerst gestoppt. Der Zielort, die Wiederaufbereitungsanlage Majak im Ural, sei nicht in Betrieb, begründete Röttgen am Montag in Bonn seine Entscheidung.
Die 951 Brennelemente, die ursprünglich aus einem DDR-Forschungsreaktor stammen, werden nun im westfälischen Ahaus bleiben. Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einer überfälligen Entscheidung.
Röttgen sagte vor dem Abflug zum Klimagipfel nach Cancún, er sei nach sorgfältiger Prüfung „zu der Überzeugung gekommen, dass gegenwärtig nicht angenommen werden kann, dass die Voraussetzungen für eine schadlose Verwertung vorliegen“.
Bei einer Änderung des Sachverhalts kann nach Angaben von Röttgen ein neuer Antrag gestellt werden. Die Brennelemente aus dem DDR- Forschungsreaktor Rossendorf bei Dresden waren 2005 nach Ahaus gebracht worden. Auf Intervention Sachsens sollten sie nach Majak transportiert werden, weil sie aus der früheren Sowjetunion stammen. Die Genehmigung für das Zwischenlager Ahaus ist nach Angaben einer Ministeriumssprecherin auf 40 Jahre befristet.
Röttgen sagte, er habe sich bei seiner Entscheidung insbesondere auf ein Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit gestützt. Es besage zwar, dass eine Ausfuhr vertretbar sei. Der dargestellte Sachverhalt aber habe ihn vom Gegenteil überzeugt.
Majak soll noch stärker nuklear verstrahlt sein als Tschernobyl, wo es 1986 zum Gau gekommen war. Die kerntechnische Anlage der Russen im Ural gilt als eine der am stärksten radioaktiv verseuchten Regionen der Erde. Deshalb warnen deutsche und russische Umweltschützer vor dem Transport.
Grundlage für den Rücktransport hätte ein zwischen den USA, Russland und der Internationalen Atomenergiebehörde geschlossener Vertrag aus dem Jahr 2004 sein sollen. Er regelt die Rückholung von Brennelementen aus Forschungsreaktoren, die von der Sowjetunion bestückt worden sind. Ein Transport würde Sachsen etwa 35 Millionen Euro kosten, für die Lagerung in Ahaus zahlt der Freistaat jährlich mehrere Millionen Euro.
Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte am 23. September die im Juni von der Nuclear Cargo+Service beantragte Beförderung der Castor- Behälter auf deutschem Territorium genehmigt. Das für die Ausfuhr zuständige Bundesamt für Ausfuhr und Wirtschaftskontrolle (Bafa) beantragte daraufhin die erforderliche Erlaubnis beim Bundesumweltministerium.
Einige der Brennelemente sind mehr als 50 Jahre alt. Wegen der Erschütterungen und Bremswirkungen gilt ein Zugtransport als zu riskant. Daher ist der Transport über die Straße zu einem Hafen und von dort nach Russland geplant. Angeblich hatte die Ware in Bremerhaven umgeschlagen werden sollen. Das rot-grün regierte Bremen will die problematische Fracht aber generell nicht.
Bremens Senatssprecher Hermann Kleen begrüßte die Entscheidung Röttgens. „Das erleichtert uns auf jeden Fall, weil wir den Transport für völlig falsch gehalten haben.“ In einer Erklärung des Bundesamtes für Strahlenschutz hieß es, nicht nur aus Sicht des Strahlenschutzes sei die Entscheidung des Ministers zu begrüßen.
Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer sagte: „Dass dieser Irrsinns-Transport gestoppt wurde, ist ein Erfolg der Anti- Atombewegung in Russland und Deutschland.“ Unverständlich bleibe aber, warum Röttgen Monate gebraucht habe, um festzustellen, dass der Transport in ein ökologisches Katastrophengebiet nicht verantwortbar sei.
Von einem großartigen Erfolg der Anti-Atomkraft-Bewegung sprach der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. An einer für den kommenden Sonntag geplanten Demonstration am Zwischenlager Ahaus wird gleichwohl festgehalten. Der Protest richte sich gegen alle Atomtransporte, hieß es.
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßte die Entscheidung ebenfalls, forderte aber vollständige Informationen über alle weiteren Vorgänge und Entscheidungen. Die Grünen-Bundestagsfraktion beglückwünschte Röttgen. „Nach vielen Fehlentscheidungen in der Atompolitik endlich mal eine richtige Entscheidung“, erklärte die Sprecherin für Atompolitik, Sylvia Kotting-Uhl.