Schockierende Behandlung von Flüchtlingen empört Italiener
Rom/Brüssel (dpa) - Eine offensichtlich erniedrigende Behandlung von Flüchtlingen in dem Aufnahmezentrum der Insel Lampedusa schockiert Italien.
Bilder des RAI-Fernsehens zeigen, wie sich Migranten in dem Zentrum reihenweise im Freien nackt an einer Wand aufstellen müssen, um dann in der winterlichen Kälte aus hygienischen Gründen mit einem Mittel gegen Krätze abgespritzt zu werden.
Auch Brüssel reagierte am Mittwoch entsetzt auf die Aufnahmen und verurteilte die Zustände in dem Flüchtlingslager. Von einer Schande sprach die italienische Bischofskonferenz. Missstände in dem zumeist überfüllten Aufnahmelager auf der kleinen Insel zwischen Tunesien und Italien hatten bereits mehrfach für negative Schlagzeilen gesorgt.
In Rom prangerte Italiens Regierungschef Enrico Letta am Dienstagabend diese „schlimmen Bilder“ von Lampedusa an. Er will klären lassen, wer für das Vorgehen verantwortlich ist. Fehlverhalten werde bestraft, kündigte sein Innenminister Angelino Alfano an.
„Ihre "Schuld" besteht darin, sich die Krätze zugezogen zu haben“, kritisierte am Mittwoch der rechtsliberale Mailänder „Corriere della Sera“. Diese respektlose Behandlung der Flüchtlinge sei erniedrigend wie in einem der berüchtigten „Lager“. Die permanente Überfüllung des Zentrums sei unhaltbar, das Personal könne trotz aller Bemühungen nur unzulänglich helfen, erklärte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Seit Jahren sei Rom gebeten, Migranten rascher von Lampedusa zu verlegen.
„Die Bilder, die wir aus dem Internierungslager gesehen haben, sind erschreckend und inakzeptabel“, teilte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Brüssel mit. „Wir werden die italienischen Behörden kontaktieren und nach mehr Information zu diesen Ereignissen fragen, und wir bitten sie, vollen Aufschluss darüber zu geben, was geschehen ist“, erklärte Malmström. Ihre Behörde habe bereits mit Untersuchungen der „bedauernswerten Zustände“ in vielen italienischen Lagern begonnen. „Wir werden nicht zögern, [gegen das Land] ein Vertragsverletzungsverfahren zu beginnen, um sicherzustellen, dass EU-Standards und Verpflichtungen voll respektiert werden.“
In dem TV-Bericht beklagte sich ein namentlich nicht genannter Flüchtling, wie ein „Tier“ behandelt zu werden. Er habe mindestens 65 Tage in dem Zentrum verbracht, wobei Migranten doch innerhalb von 48 Stunden in einem anderen Zentrum untergebracht werden sollten, hielt das UNHCR fest. Die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, hat das Innenministerium in Rom für die Situation verantwortlich gemacht und von „KZ-ähnlicher“ Behandlung gesprochen.
„Das ist kein Lager, wir halten uns an Gesundheitsvorschriften“, wehrt sich der Verantwortliche des Aufnahmezentrums, Cono Galipò, im „Corriere della Sera“. Eine Desinfizierung drinnen berge Risiken für alle. Das Personal arbeite Tag und Nacht, und man werde ihm nicht gerecht, wenn man es wegen der Video-Bilder an den Pranger stelle.
Massive Flüchtlingswellen aus Afrika und dem Nahen Osten sorgen immer wieder für Chaos auf der Insel, oft sind dann 1000 oder mehr Migranten in dem Zentrum untergebracht, das nur für 250 gebaut ist.