Snowden will zurück in die USA
Berlin/Washington (dpa) - Generalbundesanwalt Range will wegen der NSA-Affäre wohl keine Ermittlungen einleiten. Noch gibt es keine offizielle Verlautbarung dazu, doch es hagelt bereits Kritik. Der Enthüller Edward Snowden spricht derweil im US-Fernsehen über Heimweh und Patriotismus.
Der wahrscheinliche Verzicht auf ein Ermittlungsverfahren zur NSA-Affäre in Deutschland sorgt bei Netzaktivisten und Opposition für Empörung. Linke und Grüne forderten ein Eingreifen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), damit Generalbundesanwalt Harald Range Ermittlungen einleitet. Die Aktivisten, die wegen der Geheimdienst-Spähaktionen Strafanzeige gestellt hatten, kündigten weitere rechtliche Schritte an. Der Enthüller der Geheimdienstpraktiken, Edward Snowden äußerte derweil in einem US-Fernsehinterview den Wunsch, nach Amerika zurückzukehren. Angesichts der drohenden Strafen traut er sich aber nicht.
Snowden, der Ex-Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, hatte vor etwa einem Jahr zahlreiche vertrauliche NSA-Dokumente an Journalisten übergeben und die Affäre so ins Rollen gebracht. Die National Security Agency (NSA) und andere ausländische Nachrichtendienste sollen massenhaft Daten deutscher Bürger ausgeforscht haben. Amerikanische Geheimdienstler hörten demnach auch über Jahre das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab.
Mehrere Bürgerrechtsgruppen hatten wegen der Ausspähungen Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet. Die Anklagebehörde in Karlsruhe prüfte die Vorwürfe. Wie „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR berichteten, will Generalbundesanwalt Harald Range aber keine Ermittlungen dazu einleiten - aus Mangel an belastbarem Material. Von der Bundesanwaltschaft hieß es offiziell lediglich, es werde alsbald eine abschließende Entscheidung bekanntgegeben.
Dennoch hagelte es bereits Kritik von vielen Seiten. Range soll sich nun im Rechtsausschuss des Bundestages dazu erklären und möglicherweise auch im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages.
Grüne und Linke forderten Justizminister Maas auf, einzugreifen. Der Ressortchef müsse den Generalbundesanwalt anweisen, seiner Pflicht nachzukommen, verlangten die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul, und Linksfraktions-Vize Jan Korte. „Allein die Behauptung, es sei kein belastbares Material über die Aktivitäten von NSA und GCHQ zu bekommen, ist schier unglaublich“, sagte Korte. Linke-Chef Bernd Riexinger sprach von „Rechtsbeugung“.
Die angebliche Begründung, es gebe „keine belastbare Beweise“, sorgte auch bei den Netzaktivisten, die die Prüfung angestoßen hatten, für Empörung. „Wie will der Generalbundesanwalt denn das wissen, wenn es noch nicht einmal Ermittlungen gegeben hat?“, sagte die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz, der dpa. Der Club hatte wegen der Ausspähung Strafanzeige gestellt. Man warte die Zustellung der Entscheidung ab und werde dann Rechtsmittel einlegen, sagte Kurz.
Rena Tangens vom Verein Digitalcourage, der ebenfalls Anzeige erstattet hatte, bezeichnete den Verzicht auf ein Verfahren als „Ungeheuerlichkeit“.
Snowden selbst meldete sich in einem einstündigen Interview des US-Senders NBC ausführlich zu Wort und verteidigte seine Sache eloquent. Er sei ein Patriot und wolle am liebsten wieder nach Hause, sagte der 30-Jährige in dem Gespräch, das am Mittwochabend (Ortszeit) ausgestrahlt wurde. Allerdings erwarte ihn derzeit ein unfairer Prozess und ein Leben im Gefängnis. An eine Rückkehr sei unter diesen Umständen nicht zu denken. Laut NBC kam es bereits zur ersten Kontaktaufnahme seiner Verteidiger mit der US-Regierung.
Außenminister John Kerry forderte den Whistleblower auf, zurückzukommen und sich der Justiz zu stellen. Snowden könne auch daheim seine Kritik darlegen, sagte der Außenamtschef. Der Ex-NSA-Mitarbeiter sei ein Mann, der sein Land betrogen und ihm geschadet habe. Er habe seinen Eid gebrochen, den er zu Beginn seiner Tätigkeit für die Regierung geschworen habe.
Snowdens Rechtsbeistand Ben Wizner, der für die Bürgerrechtsgruppe ACLU arbeitet, wies Kerrys Forderung zurück, wie die britische Zeitung „The Guardian“ berichtete. Das Anti-Spionagegesetz biete dem 30-Jährigen keine Chance, den Nutzen seiner Enthüllungen zu verteidigen. Zudem sei unklar, ob Snowden bei einer Rückkehr nicht noch mit weiteren Anklagepunkte zu rechnen habe.
Ob ein Straferlass oder juristische Milde daheim möglich seien, könne er nicht beantworten, sagte Snowden selbst. Das müssten die Behörden oder die Öffentlichkeit entscheiden. Derzeit hat er Asyl in Russland. Sein Visum laufe am 1. August aus und er werde eine Verlängerung beantragen, sagte Snowden. In den USA wird er per Haftbefehl gesucht.