Spanier trotzen Protest-Verbot

Am Wahlsonntag demonstrierten erneut Hunderttausende gegen die hohe Arbeitslosigkeit.

Madrid. Unter dem Eindruck tagelanger Massenproteste gegen die Korruption und die tiefe Wirtschaftskrise haben die Spanier gestern neue Bürgermeister und Regionalparlamente gewählt.

Den Umfragen zufolge wurden ein Debakel für die sozialistische Partei von Spaniens Ministerpräsident José Luis Zapatero und Gewinne für die konservative Volkspartei erwartet. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Auf den Balearischen Inseln und im zentralspanischen Castilla-La Mancha wurde ein Machtverlust der Sozialisten vorhergesagt.

Die Wahl gilt als entscheidender Stimmungstest für die spanische Parlamentswahl in einem Jahr. Denn schon jetzt steht fest: Zapateros Popularität ist durch die desolate Wirtschaftslage, die Staatsschuldenkrise und harte Sparbeschlüsse der Regierung mit Steuererhöhungen und sozialen Einschnitten auf dem Tiefpunkt.

Ein kurzfristig ausgesprochenes Verbot von Demonstrationen am Wahlwochenende hielt hunderttausende überwiegend junge Spanier nicht davon ab, erneut auf die Straße zu gehen und für eine „wahre Demokratie“ und gegen die hohe Arbeitslosigkeit zu protestieren.

In Spanien sind 21 Prozent, bei den bis zu 25-Jährigen sogar 45 Prozent, ohne Job. „Ohne Job kein Geld, keine Wohnung, keine Unabhängigkeit“, fasste etwa der arbeitslose Demonstrant Carlos seine Lage in knappen Worten zusammen. Die Polizei ging auf Weisung der Regierung nicht gegen die Demonstrationen vor, um eine Eskalation der angespannten Lage zu vermeiden.

In der Hauptstadt Madrid, der Mittelmeer-Metropole Barcelona und in 60 weiteren Städten versammelten sich die Menschen auf den zentralen Plätzen. Allein in der Umgebung der Plaza „Puerta del Sol“ in Madrid kamen mehr als 100 000 Demonstranten zusammen — es herrschte revolutionäre Volksfeststimmung. Der Protest, der vor einer Woche begann, soll auch nach diesem Wahlsonntag fortgesetzt werden. Es sind die größten Proteste der jungen Generation, die Spanien je gesehen hat.