Steinmeier — der Krisenmanager
Der Außenminister versucht das Problem mit diplomatischen Mitteln zu lösen. Er nennt das „Kultur der Verantwortung“.
Berlin. Mit einem Außenminister kann man ohnehin kein geplantes Leben führen, mit Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist es in diesen Wochen die Hölle. Für seine Frau und Tochter, erst recht für seine Mitarbeiter. Sie haben am besten immer eine Reisetasche im Büro — gepackt für mehrere Tage.
Wie Steinmeier als Ukraine-Krisenmanager durch die Welt hetzt, gleicht einem Road-Movie. Von hier nach dort, wo immer ihn die Sache gerade hintreibt. Die Sache, das ist der fieberhafte Versuch, den Krieg um die Krim in letzter Minute doch noch abzuwenden, und zwar mit den Mitteln der Diplomatie.
Nach Moldawien und Georgien sollte ursprünglich am Montag eine schon länger geplante Reise führen, stattdessen ging es nach Brüssel zum Sondergipfel der EU-Außenminister und von da spontan weiter am Abend nach Genf, weil dort gerade der russische Außenminister Sergeij Lawrow weilte. Steinmeier diskutierte mit ihm ein sehr kontroverses Abendessen lang über die Frage, ob es noch Sinn mache, eine friedliche Lösung anzustreben.
Lawrow verteidigte den russischen Standpunkt schroff, aber offenbar blieb ein Hoffnungsschimmer. Jedenfalls flog Steinmeier am Dienstag um halb elf weiter ins nahe Bern, wo er den Schweizer Bundespräsidenten Didier Burkhalter traf. Der ist zurzeit Präsident der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Das ist die Organisation, der alle EU-Staaten, die USA, aber auch Russland und die Ukraine angehören.
Steinmeier selbst hat sie als Vermittler ins Spiel gebracht. Ziel: Die Ukraine und Russland an einen Tisch zu bringen. Am Dienstagmittag wies Russlands Präsident Putin seinen Außenminister an, mit Steinmeier darüber zu reden. Freude in Steinmeiers Delegation. „Ein gutes Zeichen. Drücken Sie uns die Daumen“, meinte einer per SMS. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Jederzeit könnte auf der Krim geschossen werden. Und wenn die Gesprächsschiene OSZE nicht schnell in Gang kommt, beschließt der EU-Gipfel am Donnerstag womöglich schon erste Sanktionen gegen Russland. Und dann wird alles viel schwieriger.
Vor dem Abflug nach Bern lag noch ein Frühstück mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon. Und dazwischen immer wieder Telefonate. Friedliche Außenpolitik ist Netzwerkpolitik. Für Steinmeier ist Diplomatie keine Schwäche, „sondern eine Möglichkeit, um nicht in den Abgrund einer militärischen Eskalation zu geraten“. Der 58-Jährige hat zu Beginn seiner zweiten Amtszeit als Außenminister die „Kultur der Verantwortung“ propagiert, eine aktivere Rolle Deutschlands. Und Steinmeier lebt diesen Anspruch vor.