Steuerverdächtige veröffentlicht: Schweiz weist Kritik zurück
Basel (dpa) - Die Schweiz hat deutsche Kritik an der Veröffentlichung von Namen mutmaßlicher Steuersünder im eidgenössischen Amtsblatt zurückgewiesen.
Solche Veröffentlichungen, die es ohnehin nur in Ausnahmefällen gebe, seien die Konsequenz aus verfassungsmäßig verankerten Bürgerrechten, erläuterte die Schweizer Steuerverwaltung (ESTV) auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Zu den bilateralen gesetzlichen Grundlagen dieser Praxis gehöre im Falle Deutschlands das am 21. Dezember 2011 in Kraft getretene Doppelbesteuerungsabkommen beider Staaten. Seitdem habe die Zahl der deutschen Gesuche um Amtshilfe in Steuersachen an die Schweiz zugenommen, erklärte ESTV-Sprecher Thierry Li-Marchetti.
Es handle sich dabei aber nicht allein um Strafverfahren, sondern auch um Anfragen zur Klärung normaler Steuerangelegenheiten. Zur Veröffentlichung von Namen im Amtsblatt, das seit einiger Zeit auch in digitalisierter Form im Internet verfügbar ist, kommt es dem Sprecher zufolge nur „in seltenen Fällen“.
Es gehe dann ausschließlich um Personen, für die es keine Kontaktdaten gebe und die daher auch nicht amtlich darüber informiert werden konnten, dass wegen eines Amtshilfeantrages ein Verfahren laufe. „Das ist nötig zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs“, erklärte Li-Marechetti. „Die Veröffentlichung erfolgt nur, wenn die Person nicht auf anderem Weg kontaktiert werden kann, quasi als "ultima ratio".“ Zudem ließen sich aus der Veröffentlichung keine Einzelheiten zu dem Verfahren ableiten, sondern lediglich, dass eine Amtshilfegesuch aus Deutschland gestellt wurde.
In Deutschland stieß die Schweizer Praxis gleichwohl auf Kritik. Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) betonte im NDR, die Veröffentlichung von Namen möglicher deutscher Steuerbetrüger sei nicht mit dem deutschen Steuergeheimnis vereinbar. An die Adresse der Schweiz sagte er: „Nachdem sie über Jahrzehnte durch entsprechende Kontengestaltung quasi Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hat, marschiert sie jetzt in die genau entgegengesetzte Richtung.“
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) sprach von einem „sehr ungewöhnliches Vorgehen“. In jedem Fall gelte die Unschuldsvermutung. „Aber von Amts wegen werden wir zumindest prüfen, ob Namen von Steuerpflichtigen aus Schleswig-Holstein im Schweizer Bundesblatt auftauchen.“
Nach Angaben der Schweizer Steuerverwaltung haben andere Länder bis Ende 2014 insgesamt 2791 Anträge auf Amtshilfe an die Schweiz gerichtet. Sie selbst habe lediglich in zwei Fällen entsprechende Anträge bei anderen Ländern gestellt.
In Deutschland haben Bürger in Steuersachen weniger Rechte als in der Schweiz: Das nordrhein-westfälische Finanzministerium erklärte der Deutschen Presse-Agentur, es gebe in Deutschland keine gesetzliche Verpflichtung, mutmaßliche Steuerbetrüger anzuhören. Daher gebe es auch keine Veranlassung zu versuchen, sie über das Internet zu kontaktieren. Die Schweizer Steuerverwaltung will mit der Veröffentlichung von Namen als letztem Mittel tatsächlich allen Betroffenen die Möglichkeit geben, Rechtsmittel einzulegen.