Taliban-Angriff auf Diplomatenviertel in Kabul dauert an
Kabul/Washington (dpa) - Spektakuläre Kommandoaktion kurz nach dem zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September: Taliban-Kämpfer haben das Diplomatenviertel in der afghanischen Hauptstadt Kabul unter Beschuss genommen - US-Botschaft und Isaf-Hauptquartier waren die Ziele.
Bei dem Angriff am Dienstag seien das Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe (Isaf) und die US-Botschaft mit Maschinengewehren und Panzerfäusten beschossen worden, teilte die von der Nato-geführte Isaf mit. Die Schusswechsel mit den Taliban dauerten in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) an, berichtete der britische Sender BBC.
Ausländische Soldaten seien nicht zu Schaden gekommen. Auch unter den Diplomaten habe es keine Verletzten gegeben, sagte ein Sprecher der US-Botschaft. Nach Polizeiangaben wurden bei dem Angriff zwei Zivilisten und vier Polizisten getötet sowie 16 Menschen verletzt. In anderen Stadtteilen Kabuls wurden mindestens vier Taliban getötet.
US-Außenministerin Hillary Clinton betonte, der Angriff habe keinen Einfluss auf das Engagement der USA in Afghanistan. „Wir werden wachsam sein, aber wir werden uns mit noch größerer Entschlossenheit dafür einsetzen, den Afghanen, die so viel erleiden mussten, und ihren Kindern zu einer besseren Zukunft zu verhelfen.“ Auch der afghanische Präsident Hamid Karsai verurteilte den Angriff.
Vor wenigen Wochen hat die Isaf damit begonnen, in den ersten Regionen die Verantwortung für die Sicherheit im Land an die Afghanen zu übergeben, darunter auch in der Region Kabul. Dieser Prozess soll Ende 2014 abgeschlossen sein, wenn der Kampfeinsatz der ausländischen Truppen am Hindukusch nach einem Nato-Beschluss beendet wird.
Augenzeugen berichteten von Explosionen und Gefechten. Mindestens fünf bewaffnete Angreifer hätten sich in einem im Bau befindlichen Hochhaus am Abdul-Haq-Platz nahe der US-Botschaft verschanzt, sagte der Chef der Kabuler Kriminalpolizei, Mohammad Sahir. In der Nacht lieferten sich afghanische Sicherheitskräfte sporadische Schusswechsel mit mindestens einem der im Gebäude verschanzten Taliban, berichtete der BBC.
Ein Sprecher der Isaf erklärte, afghanische und ausländische Sicherheitskräfte hätten umgehend und „angemessen“ reagiert. Die Truppen würden von Hubschraubern unterstützt. Das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt. Die Gefechte dauerten am Abend an.
In anderen Stadtteilen verhinderten afghanische Sicherheitskräfte nach eigenen Angaben weitere Anschläge. Wie Polizeichef Sahir sagte, wurde ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter erschossen, als dieser versuchte, in das Hauptquartier der Grenzpolizei im Westen der Stadt einzudringen. Zwei weitere mutmaßliche Extremisten seien unweit des Parlaments sowie auf der Straße zum Flughafen getötet worden.
Für die Taliban bekannte sich ihr Sprecher Sabiullah Mudschahid zu der Tat. Kämpfer hätten Regierungsgebäude, Einrichtungen des Geheimdienstes sowie die US-Botschaft und weitere diplomatische Vertretungen angegriffen, sagte er. Auch Selbstmordattentäter seien im Einsatz gewesen. Angaben der Aufständischen gelten als wenig zuverlässig und haben sich oft als falsch herausgestellt.
Die Taliban hatten in den vergangenen Wochen zahlreiche Angriffe in Kabul und anderen Teilen Afghanistans verübt. Erst vor dreieinhalb Wochen hatte ein Selbstmordkommando das britische Kulturinstitut in Kabul angegriffen und neun Menschen getötet, darunter zwei Ausländer. Ende Juni hatten Taliban ein Luxushotel in der Stadt angegriffen und elf Menschen getötet. Die Sicherheitskräfte hatten mehrere Stunden gebraucht, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.
In der nördlich von Kabul gelegenen Provinz Parwan kamen Mitte August mehr als 20 Menschen ums Leben, als ein Selbstmordkommando den Amtssitz des Gouverneurs stürmte. Ende Juli attackierten die Taliban in Tarin Kowt in der Südprovinz Urusgan mehrere Regierungsgebäude und töteten mehr als 20 Menschen. Kurz davor war bei einem gezielten Anschlag der Vorsitzende des Provinzrates von Kandahar und Bruder von Präsident Karsai, Ahmad Wali Karsai, ums Leben gekommen.