Tikrit: Das Kalifat im Irak als Propaganda-Erfolg
Terrormiliz Isis ruft islamisches Recht aus, die Armee antwortet mit einer Offensive gegen die Hochburg Tikrit.
Tikrit. In Sachen Propaganda versteht die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) ihr Handwerk nahezu perfekt. Die Audiobotschaft, die am Sonntagabend im Internet auftauchte, muss von langer Hand vorbereitet worden sein. Die 34 Minuten lange Erklärung des Isis-Sprechers Abu Mohammed al-Adnani besticht durch eine klare Qualität der Aufnahme. Im melodiösen Tonfall eines Koranrezitators verkündet er, wovon Dschihadisten seit langem träumen: von der Errichtung eines „Islamischen Kalifats“.
Wenige Stunden später haben sich die irakische Armee und Kämpfer der Terrorgruppe schwere Gefechte geliefert. Einheiten der Regierung setzten ihre Offensive auf Tikrit fort und nahmen nach eigenen Angaben Teile der strategisch wichtigen Stadt ein.
In Bagdad tritt heute erstmals das neu gewählte Parlament zusammen. Es soll einen Regierungschef wählen. Der umstrittene schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki möchte im Amt bleiben, braucht dafür trotz seines Wahlsiegs von Ende April jedoch Koalitionspartner.
Derweil können die Islamisten der Isis auf weiteren Zulauf hoffen: Mit dem frühen Kalifat verbinden viele Gläubige die goldenen Zeiten des Islams, als die Muslime große Gebiete beherrschten und sich nicht — wie viele heute — unter der Knute säkularer westlicher Mächte wie den USA fühlten. Das erklärte Ziel von Salafisten und Dschihadisten lautet, zum „einzig wahren Islam“ der Zeit Mohammed zurückzukehren.
Wie dieser nach der Lesart von Isis aussieht, machte die Terrorgruppe am Wochenende einmal mehr deutlich: In einem Ort östlich der syrischen Stadt Aleppo ließ sie acht Männer hinrichten und kreuzigen.
In den Krisengebieten Syrien und Irak ändert sich mit der Ausrufung des Kalifats rein praktisch zunächst nicht. Doch der Propagandaeffekt darf nicht unterschätzt werden. Dass Isis viele Anhänger gefunden hat, ist nicht zuletzt ein Ergebnis des Vormarsches und der Entschlossenheit, mit der Abu Bakr al-Baghdadi seinen Machtanspruch verfolgt. Auch bei Dschihadisten wirkt Erfolg anziehend. Schon am Sonntag kursierten im Internet schnell Bilder, die angeblich Isis-Kämpfer im Irak zeigen, die die Ausrufung des Kalifats feiern.