Tuareg in Mali rufen ihren eigenen Staat aus

Der bitterarme Wüstenstaat steht vor der Zerreißprobe. Al Kaida unterstützt die Rebellen im Norden.

Bamako. Ein neuer Staat in der westafrikanischen Sahara? Nach der Eroberung Nord-Malis haben die Tuareg-Rebellen das von ihnen beherrschte Gebiet einseitig für unabhängig geklärt. Der Tuareg-Staat namens „Azawad “ soll eine „demokratische Verfassung“ bekommen, heißt es in einer Erklärung, die von der „Nationalen Bewegung für die Befreiung von Azawad“ veröffentlicht wurde. Azawad ist das traditionelle Stammesgebiet der Tuareg-Nomadenstämme.

Die Lage im Norden Malis bleibt aber unübersichtlich, weil auch eine zweite Tuareg-Rebellengruppe, die islamistische Ansar Dine (Verteidiger des Glaubens), die Macht beansprucht und einen Gottesstaat anstrebt. Eine Entwicklung, die dem Westen, der großes Interesse an der Stabilität dieser Region hat, erhebliche Sorgen bereitet.

Seit Anfang des Jahres hatten beide Tuareg-Bewegungen gemeinsam gegen das malische Militär gekämpft. Verstärkt durch gut ausgerüstete Tuareg-Krieger, die früher für Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi kämpften, eroberten die Wüstenrebellen mit Gao, Kidal und der berühmten Handelsoase Timbuktu die drei größten Städte im Norden, den sie jetzt kontrollieren.

Für Unruhe sorgten Berichte, dass die Islamisten von Ansar Dine dort das islamische Scharia-Recht durchsetzen wollen. Auch vor dem Hintergrund, dass Ansar Dine enge Verbindungen zu dem nordafrikanischen Terrorflügel von Al Kaida unterhält, der für Attentate gegen westliche Ziele und Entführungen europäischer Wüstentouristen sowie Entwicklungshelfer verantwortlich ist.

Sicher scheint im allgemeinen Chaos nur zu sein, dass der bitterarme Sahara-Staat mit 15 Millionen Einwohnern auf dem Weg ist, auseinanderzufallen. Mehr als 200 000 Menschen befinden sich nach den monatelangen Kämpfen auf der Flucht. Mali ist dreieinhalb Mal größer als Deutschland und hat trotz gigantischer westlicher Entwicklungs- und Militärhilfe nur geringe wirtschaftliche Fortschritte gemacht.

Erste Reaktionen, etwa aus Frankreich, deuten darauf hin, dass die Unabhängigkeitserklärung der Tuareg nicht anerkannt wird. Genauso wie der Anführer der Militärputschisten in Südmali, Hauptmann Amadou Sanogo, kaum mit ausländischer Unterstützung rechnen kann. UN und EU fordern die Rückkehr zu einer zivilen Regierung, freien Wahlen und Verhandlungen mit dem Norden — die Entwicklungshilfe wurde vorerst eingefroren.