Ukrainischer Unternehmer bezeichnet Ukraine-Krise als Kriegszustand
Eduard Rubin lebt in der Ostukraine und damit mitten im Konfliktgebiet. Er fordert die Europäische Union auf, Waffen zu liefern.
Düsseldorf/Charkiw. Sieben Monate sind vergangen, seit Eduard Rubin das letzte Mal in Düsseldorf war. Damals sprach der ukrainische IT-Unternehmer voller Optimismus von der neuen Zeit, die in seinem Land anbrechen sollte. Den korrupten Staatsapparat entfilzen, europäische Investoren gewinnen und ein EU-Beitritt bis 2025 — so beschrieb er die Zukunft seines Landes.
Hätte man ihn damals gefragt, wie er die Lage sieben Monate später einschätzt, hätte er vermutlich nicht damit gerechnet, dass der Begriff Ukraine-Krise dann noch in aller Munde ist. Dass noch immer russische Soldaten mit Separatisten gegen die ukrainische Armee kämpfen — nur dass es diesmal nicht mehr um die längst erfolgte Abspaltung der Krim geht, sondern um weite Teile der Ostukraine. Und dass Charkiw, die Stadt, in der Eduard Rubin lebt und arbeitet, zu einer Art Hinterzimmer des Konflikts wird, in dem Flüchtlinge Schutz suchen und Panzer gebaut werden.
„Diese Region hat sich militarisiert. Inzwischen gibt es hier sogar ein Panzerwerk“, sagt Eduard Rubin, der in den vergangenen Monaten wie viele seiner Landsleute eine wachsende Freiwilligenarmee mit Kleidung, Taschenlampen und Ersatzteilen versorgt hat.
Aus Sicht des 55-Jährigen beschreibt das Wort „Konflikt“ die Situation längst nicht mehr richtig. Er sagt stattdessen: „Es ist gut, dass jetzt auch Europa und die USA merken, dass das hier eine neue Art der Kriegsführung ist.“ Er erwartet weitere europäische Sanktionen gegen Russland — und Waffenlieferungen.
Gleichzeitig spricht Rubin von einer zunehmenden proeuropäischen Orientierung der Bevölkerung. „Noch im Mai lag der Anteil der Kreml-Befürworter bei etwa 50 Prozent. Heute kann man an den Ergebnissen der Regionalwahlen ablesen, dass er etwa bei 25 bis 30 Prozent liegt. Das zeigt, dass sich die Ukrainer mehrheitlich als Teil von Europa sehen.“
Dass die Bewohner der Krim im Mai mit ihrem Referendum eine Abspaltung zu Russland besiegelt haben, bezeichnet Rubin als fatalen Fehler. Einer, für den die Bevölkerung nun büßen müsse, und der Russland zusätzlich in Finanzprobleme treibt.
„Die Wirtschaft auf der Krim liegt inzwischen am Boden. Die jungen Menschen sind gegangen, überwiegend in die russische Armee. Geblieben sind die Alten, denen Russland nun die Rente bezahlen muss. Putin verdient nichts mit der Krim, sondern verliert enorm viel Geld.“
Russlands zunehmende wirtschaftliche Schwäche sieht er als entscheidenden Grund dafür, dass Putins Stern international deutlich sinkt. „Der G20-Gipfel in Brisbane hat gezeigt, wo Putin inzwischen in der Welt steht.“ Internationale Allianzen habe der russische Präsident in der Vergangenheit stets mit seinem Geld und Handelsversprechen geschmiedet.
Laut Rubin rächt sich jetzt, dass Russland sein Geld in der Vergangenheit nicht in Investitionen gesteckt habe, sondern in die Taschen von Oligarchen.
Der Unternehmer mit 120 Angestellten rechnet nicht mit einem baldigen Ende des Konflikts. Dennoch: „Sollten wir in sieben Monaten wieder miteinander sprechen, dann hoffentlich über das Ende der Krise.“