Urteil des UN-Gerichts schockt ganz Kroatien

Warum der Richterspruch gegen Ante Gotovina das Selbstverständnis des Landes erschüttert.

Zagreb/Belgrad. Die katholischen Bischöfe hatten für den Freispruch von General Ante Gotovina beten lassen. Regierungschefin Jadranka Kosoro konnte sich nichts als die Freilassung des Volkshelden vorstellen. Das Parlament beendete sogar seine Sitzung am Freitag vorzeitig, damit alle Abgeordneten den erwarteten Freispruch verfolgen konnten. Doch es kam anders. Gotovina soll 24 Jahre in Haft.

Als auf dem Jelasic-Platz im Zentrum von Zagreb das harte Urteil über die Videowände flimmert, herrscht bei den mehreren tausend Demonstranten Fassungslosigkeit. „Schock, Aufschrei, Tränen“, titelte die Zeitung „Danas“. „Katastrophe, Trauer, Schande“, wiederholen die Protestierenden immer wieder. Pfiffe überall.

Die Behörden rufen zur Ruhe auf. Wegen befürchteter Ausschreitungen wurden in der Innenstadt starke Polizeikräfte zusammengezogen. „Wir erkennen das UN-Gericht nicht an“, „Der Krieg geht weiter“ und „Unser Verteidigungskrieg war gerecht“, empören sich die Unzufriedenen im Zagreber Zentrum.

Das Staatsfernsehen versucht in einer Sondersendung, mit Rechtsexperten das Urteil zu analysieren. Die sind sich schnell einig, dass „das Gericht einseitig kein einziges Argument der Verteidigung hören wollte“. Dass Gotovina und ein weiterer General verurteilt wurden, ein dritter aber freigesprochen wurde, sei inkonsequent und lasse auf einen besseren Ausgang der Berufungsverhandlung hoffen.

Mitkämpfer der drei Generäle melden sich unter Tränen und sagen trotzig: „Wir sind stolz auf unseren Kampf.“ Ihre Befehlshaber seien schließlich „Verteidiger der Heimat“ gewesen. „Wir alle haben heute verloren“, sagten Veteranenvertreter. „Jetzt müssen wir standhaft sein, um den Staat zu bewahren.“ „Mit diesem Richterspruch werden der vaterländische Krieg und Kroatien verurteilt“, zitiert die Zeitung „Jutarnji list“ einen Kritiker.

In der Tat erschüttert das UN-Tribunal das Selbstverständnis fast aller Kroaten in den Grundfesten. Allgemeingut ist, dass Kroatien 1991-1995 einen „gerechten Krieg“ gegen seine serbische Minderheit geführt hat, die ein Drittel des Landes „illegal okkupiert“ hatte.