USA verweigern Irak schnelle militärische Unterstützung

Bagdad/Washington (dpa) - Nach dem Siegeszug der Islamistenmiliz Isis im Irak hat US-Präsident Barack Obama ein Eingreifen amerikanischer Bodentruppen in den Konflikt ausgeschlossen.

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Washington bereite „andere Optionen“ zur Unterstützung der Iraker vor, sagte Obama am Freitag in Washington. Die Entscheidung werde aber nicht über Nacht fallen. Er werde die Möglichkeiten in den kommenden Tagen prüfen.

„Die Vereinigten Staaten werden ihren Teil beitragen, aber verstehen Sie, dass es am Irak liegt, seine Probleme als souveräne Nation selbst zu lösen“, sagte Obama. „Wir können es nicht für sie machen.“ Der Vorstoß extremistischer Gruppen sei ein „Weckruf“ für die Bagdader Regierung. Es könne im Irak keinen Frieden geben, wenn sich örtliche Politiker stets auf amerikanische Hilfe verlassen.

Seit Anfang der Woche erobert die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) Städte im Irak und dringt in Richtung auf die Hauptstadt Bagdad vor. Den irakischen Streitkräften gelang es am Freitag regional, den Vormarsch der Dschihadisten zu stoppen. Die 130 Kilometer vor Bagdad gelegene Stadt Samara sei zurückerobert worden, berichtete „Al-Sumaria News“. Ministerpräsident Nuri al-Maliki habe die Stadt am Freitag mit Armeeoffizieren besucht. Bei Luftangriffen seien Fahrzeuge der Isis zerstört worden.

Bagdad bereitete sich dennoch auf Angriffe der Dschihadisten vor. Augenzeugen berichteten, Polizei und Militär patrouillierten die Straßen. Kontrollposten würden aufgebaut. „Die Sicherheitskräfte sind in höchster Alarmbereitschaft“, verlautete aus Sicherheitskreisen.

Nördlich von Bagdad drangen Isis-Truppen am Freitag weiter in Richtung Osten vor. Laut Medienberichten übernahmen die Krieger die Stadt Dschalula sowie die Ortschaft Saadija in der Provinz Dijala. Dort leben neben Arabern viele Kurden und Turkmenen. Dschalula liegt 125 Kilometer nordöstlich von Bagdad und ist nur 35 Kilometer Luftlinie von der iranischen Grenze entfernt.

Der Vormarsch von Isis im Ostirak wurde jedoch von kurdischen Truppen gestoppt. Die Nachrichtenseite „Rudaw“ berichtete, kurdische Peschmerga-Soldaten hätten ihr Einflussgebiet über Kirkuk hinaus ausgeweitet. Die kurdische Armee sei rund 50 Kilometer weiter gen Süden vorgedrungen. Auch in Dschalula und Saadija hätten Peschmerga-Truppen gegen Isis gekämpft.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani sicherte der schiitischen Regierung des Iraks die Solidarität im Kampf gegen die sunnitische Terrororganisation zu. Das „Wall Street Journal“ berichtete, mindestens drei Bataillone der Al-Kuds-Brigaden, die Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, seien in den Irak entsandt worden.

Der irakische Großajatollah Ali al-Sistani rief seine schiitischen Glaubensbrüder zum Widerstand auf. Die Schiiten sollten vor allem die Heiligtümer in Nadschaf und Kerbela schützen, ließ er verkünden.

Die Vereinten Nationen schlugen Alarm wegen Hinrichtungen durch Isis. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay berichtete, allein in einer Straße von Mossul seien 17 Zivilangehörige der Polizei getötet worden. „Ich bin besonders besorgt über die gefährliche Lage von Minderheiten, Frauen und Kindern“, sagte Pillay in Genf. Nach UN-Angaben wurden bei Kämpfen in den vergangenen Tagen mehrere Hundert Zivilisten getötet und etwa 1000 verletzt.

Isis selbst verbreitet im Internet Fotos von hingerichteten Soldaten und Polizisten. „Isis hat Listen mit Polizisten, Soldaten und Politikern“, zitierte die kurdische Nachrichten-Plattform „Rudaw“ einen Flüchtling aus Mossul. „Wenn du an einem Kontrollpunkt erwischt wirst und auf der Liste stehst, töten sie dich.“

Die im Syrienkrieg stark gewordene Isis hatte zu Wochenbeginn die nördliche Millionenstadt Mossul eingenommen und marschiert seitdem Richtung Bagdad. Ihr Ziel ist ein sunnitischer Gottesstaat zwischen Mittelmeer und Persischem Golf. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen ist eine Million Iraker auf der Flucht.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte besorgt, die Entwicklung im Irak könne auf Deutschland Auswirkungen haben „im Blick auf den internationalen Terrorismus, im Blick auf Migration und vieles andere mehr“. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) appellierte an die politisch Verantwortlichen im Irak, schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung zu bilden.

Die Türkei will nicht militärisch eingreifen, um die rund 80 türkischen Geiseln im Nordirak zu befreien. Die Regierung bemühe sich um eine diplomatische Lösung, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.