Waffenruhe, Assoziierungsabkommen - Schicksalsstunden für Ukraine

Kiew/Brüssel (dpa) - Am Streit um die Annäherung Kiews an die EU hat sich die Krise in der Ukraine entzündet. Nun soll in Brüssel ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet werden - ein wichtiges Signal, denn die Waffenruhe zwischen Militär und Separatisten läuft aus.

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Für die Ukraine steht ein historischer Tag bevor: Am Freitag will die ehemalige Sowjetrepublik nach sieben Monaten Krise ein Partnerschaftsabkommen mit der EU in Brüssel unterzeichnen. Auch die Nachbarstaaten Georgien und Moldau, die ebenfalls einen Westkurs eingeschlagen haben, wollen ein solches Abkommen mit der EU abschließen. Zugleich läuft eine immer wieder gebrochene Waffenruhe für die Ostukraine aus. Russland forderte mit Nachdruck eine Verlängerung der Feuerpause. Sanktionen gegen Moskau dürften laut EU-Diplomaten vorerst nicht verschärft werden.

Ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen war Ende November 2013 auf Druck Moskaus auf Eis gelegt worden. Der Schritt hatte zu massiven Protesten proeuropäischer Demonstranten und zum Sturz des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch geführt. Nach der Annexion der Krim durch Russland im März nahm die Gewalt im Osten der Ukraine zu - zuletzt mit schweren Gefechten zwischen Regierungssoldaten und militanten Separatisten.

Das Abkommen mit der EU soll nach dem Willen von Staatschef Petro Poroschenko sofort umgesetzt werden. Es sei ein Modell für den Aufbau eines Staates, sagte er vor der parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg. Reformen für eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung seien überfällig. Dies gehöre zur Ursache des Konflikts. „Jemand hat beschlossen, die Ukraine dafür zu bestrafen, dass sie sich für die Demokratie und für Europa entscheiden wollte.“

Poroschenko forderte Russland eindringlich auf, sich stärker für einen Abbau der Spannungen in der Ukraine zu engagieren. „Ich fordere Russland auf, den Friedensprozess mit Taten und nicht nur mit Worten zu unterstützen“, sagte der Präsident. Er kündigte für Freitag eine „sehr wichtige Entscheidung“ an, falls die Separatisten die Waffenruhe nicht verlängern sollten. Nähere Angaben machte er nicht.

Am Freitagabend läuft die von Poroschenko ausgerufene einwöchige Waffenruhe für die Ostukraine aus. Die Separatisten haben bis zum frühen Vormittag eine Feuerpause zugesagt und neue Verhandlungen in ihrer Hochburg Donezk angekündigt. Die militanten Gruppen erwarten dazu Vertreter Russlands, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Führung in Kiew, sagte Andrej Purgin von der „Volkswehr“. Ein Thema des Treffens soll die mögliche Verlängerung der Waffenruhe sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet vom EU-Gipfel eine Entscheidung über das weitere Vorgehen in der Krise. „Die Fortschritte sind bisher nicht so deutlich angesichts von fast sieben Tagen Waffenruhe, wie ich mir das wünschen würde“, sagte Merkel bei einem Spitzentreffen der konservativen Europäischen Volkspartei im belgischen Kortrijk.

US-Außenminister John Kerry forderte in den „nächsten Stunden“ Zeichen Russlands für die Entwaffnung der prorussischen Milizen in der Ostukraine. Russland müsse seinen Beitrag dazu leisten, die Separatisten in einen geordneten politischen Prozess einzubinden, sagte Kerry in Paris nach einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius.

Ohne den russischen Präsidenten Wladimir Putin sei keine friedliche Lösung möglich, betonte Poroschenko. „Leider ist diese Hilfe bisher unzureichend“. Glücklicherweise habe es keine Kriegserklärung Russlands gegen die Ukraine gegeben, sagte der Präsident, „doch im Augenblick, wo ich zu Ihnen spreche, wird Krieg geführt, in diesen Minuten“.

Russland forderte eine Verlängerung der Waffenruhe. Die Zeit für offizielle Verhandlungen zwischen der Führung in Kiew und den Separatisten sei offenbar noch nicht reif, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Tageszeitung „Komsomolskaja Prawda“.

Die Waffenruhe war bisher äußerst brüchig. Beim Abschuss eines Militärhubschraubers waren am Dienstag nach Armeeangaben neun Soldaten getötet worden. Die ukrainische Führung berichtete zudem von jüngsten Gefechten mit zehn verletzten Soldaten. Die Aufständischen werfen ihrerseits Regierungskräften vor, Stellungen zu attackieren.