Wütende Proteste nach Hauseinsturz in Bangladesch

Dhaka (dpa) - Nach dem Einsturz eines maroden Fabrik- und Einkaufsgebäudes in Bangladesch haben Tausende Textilarbeiterinnen gegen die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen protestiert.

Bei dem Unglück in einem Vorort von Dhaka sind nach Angaben vom Donnerstag bislang 250 Leichen aus den Trümmern des achtstöckigen Gebäudes geborgen worden. Die meisten Toten sind Frauen, die in den Textilfabriken arbeiteten. Wie viele Menschen sich am Mittwoch in dem Gebäudekomplex aufhielten, ist unklar. Die Regierung kündigte Konsequenzen für die Verantwortlichen an.

Viele Opfer überlebten auch am zweiten Tag der Katastrophe in Hohlräumen und Spalten unter den tonnenschweren Betonteilen. So haben Rettungshelfer am späten Donnerstagabend (Ortszeit) noch 40 Überlebende in einem solchen Hohlraum zwischen den Trümmern geortet, wie der private Fernsehsender Independent Television berichtete. Sie konnten allerdings noch nicht befreit werden.

Mehr als 2000 Menschen seien bisher lebend geborgen worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Zahl der Verletzten wird mit 1500 angegeben. „Wir werden noch einen Tag lang suchen, um die Lebenden zu retten“, sagte Hossain Shahid Suhrawardy, der die Rettungsarbeiten überwacht, am Donnerstag.

Die wütenden Arbeiterinnen forderten bei ihren Protesten, die Verantwortlichen der Tragödie zur Rechenschaft zu ziehen. „Verhaftet sie! Hängt sie!“, schrien sie. Das Gebäude „Rana Plaza“ habe bereits am Tag vor dem Einsturz Risse gehabt, berichteten Überlebende. Dennoch seien sie zur Arbeit gezwungen worden.

Tausende zogen durch die Viertel Savar, wo das Gebäude stand, und Ashulia, wo im November bei einem Fabrikbrand 112 Menschen ums Leben kamen. Sie blockierten große Straßen und zerstörten nach Polizeiangaben mehrere Fahrzeuge. Hunderte belagerten auch den Hauptsitz der Vereinigung der Textilhersteller und -exporteure von Bangladesch.

Das Innenministerium ordnete unterdessen die Verhaftung des Besitzers des Gebäudes, Sohel Rana, an. Er soll den Fabrikbetreibern nach dem Entstehen der Risse gesagt haben, dass das Gebäude in Ordnung sei und ein Techniker es überprüft habe. Ein Gericht verfügte, bis zum Dienstag müssten der Hausbesitzer und die Fabrikbetreiber vorgeführt werden.

Der Donnerstag war von der Regierung zum offizieller Trauertag erklärt worden, die Fahnen hingen an den Regierungsgebäuden auf Halbmast. In Moscheen und Tempeln beteten die Menschen für die Opfer. Die Regierung versprach, sofort jeder Familie eines Toten umgerechnet etwa 200 Euro zukommen zu lassen, die Familien von Verletzten sollen etwa 30 Euro erhalten.

Die Rettungsarbeiten mit schwerem Gerät gestalteten sich weiter schwierig. Jederzeit könnten weitere Teile der kreuz und quer liegenden Betonplatten umstürzen, sagte Brigadegeneral Mohammad Siddiqul Alam Sikder. „Wir bohren Löcher durch die Decken und gehen hinein.“ Es werde gegraben, bis der letzte gefunden sei.

Helfer von Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz, Militär und Hunderte Freiwillige reichten den Menschen, die noch in den Trümmern festsaßen, durch Risse und Spalten Wasser. Auch versuchten sie, Sauerstoff in die Hohlräume unter dem Trümmerberg zu blasen. „Ich will leben, bitte helft mir, hier herauszukommen“, schrie ein Überlebender, der zwischen einer Säule und einer umgestürzten Wand gefangen war.

„Diejenigen, die noch am Leben sind, sind schwer verwundet“, sagte einer der Helfer, der gerade aus dem Trümmerberg kletterte. Ein anderer Freiwilliger berichtete dem Onlineportal „banglanews24“, dass zwei Frauen im Inneren ihre Babys bekommen hätten - sie hätten alle vier nicht gerettet werden können.

Unterdessen wurden am Donnerstag in einem weiteren Gebäude in der Hauptstadt Risse entdeckt. Daraufhin wurde das sechsstöckige Gebäude mit 5000 Textilarbeitern laut Polizei evakuiert. Auch im Industriegebiet Ashulia rannten die Arbeiter in Panik aus drei Gebäuden, als sie Risse in den Wänden sahen.