Die Auto-Attacken in Bottrop „Der Täter hat sich schrittweise radikalisiert“

Fragen an Florian Hartleb, Autor des Buchs „Einsame Wölfe - der neue Terrorismus rechter Einzeltäter“ zum Fall in Bottrop.

Florian Hartleb

Foto: Herkki Merila

Herr Hartleb, NRW-Innenminister Reul sagte, es sehe so aus, dass der Täter „aus einer persönlichen Betroffenheit und Unmut heraus dann Hass auf Fremde entwickelt hat“. Inwiefern passt das zur Diagnose in ihrem Buch „Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter“?

Florian Hartleb: Wer die Taten auf psychologische Aspekte reduziert, greift zu kurz. Von daher fallen die ersten Reaktionen auf den Anschlag richtig aus, wenn Reul offen einen terroristischen Hintergrund einräumt. Oftmals wird alleine auf eine Fülle von Persönlichkeitsstörungen verwiesen. Im Fall von Andreas N. war offenbar Schizophrenie diagnostiziert. Das erstaunt nicht, legt man Vergleichsfälle wie den Österreicher Franz Fuchs, ebenfalls mittleren Alters, an, der in den 1990er Jahren mit Briefbombenanschlägen operierte. Auch überrascht nicht, dass der Täter polizeilich nicht auffällig war. Das gilt auch für den Norweger Andrers Behring Breivik und seinem Nachahmungstäter David S., der 2016 München schockte. Die „persönliche, individualisierte Kränkungsideologie” kennzeichnet den Einsamen-Wolf-Terrorismus: Persönliche Frustrationen und Kränkungen ergeben gemixt mit politischen Einstellungen einen tödlichen Cocktail.

Was sind die Merkmale solcher Täter?

Hartleb: Es gibt keine Szene an Einsamen Wölfen. Bedenklich ist die zunehmende Zahl an Reichsbürgern, die oft bewaffnet und gewaltbereit sind. Je länger der Flüchtlingsdiskurs polarisiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für solche Fälle. In NRW gab es ja den Fall von Frank S. Auch er, der einen Anschlag auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker verübte, war arbeitslos. Auch er war Mann mittleren Alters. Auch er radikalisierte sich in einer Vermengung von persönlichen und politischen Motiven.

Was sagt das Tatverhalten über den Täter aus?

Hartleb: Der Täter handelte nicht über Nacht, sondern hat sich schrittweise radikalisiert. Es ist wahrscheinlich, dass die polarisierende Flüchtlingsdebatte eine Art Trigger war. Der Täter könnte sich auch ein Beispiel an radikalen Islamisten genommen haben, etwa an den Täter vom Berliner Weihnachtsmarkt 2016.


Florian Hartleb hat im Oktober 2018 das Buch „Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter“ veröffentlicht, erschienen bei Hoffmann und Campe.