Berlin. Dass es kein Duell werden würde, sondern ein Duett, hatte man schon geahnt. Aber die kollegiale Art und Weise, in der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Dienstagmittag im Reichstag zu den aufwühlenden Ereignissen im fernen Kundus ihre Worte wählten, war bemerkenswert.
Fast deckungsgleich rollten beide ihre roten Afghanistan-Fäden aus: Trauer und Anteilnahme - für den Fall, dass sich der Verdacht von zivilen Opfern weiter erhärten sollte. Selbstbewusstsein - gegen allzu schnelle Urteile aus aller Herren Länder, die der Bundeswehr am Zeug flicken wollen. Und ein klares Bekenntnis zu verantwortlichem Handeln - Abzug aus Afghanistan erst dann, wenn das Land seine Sicherheit selbst gewährleisten kann.
Wann das sein wird, ließen beide offen. Nur so viel war klar: Jetzt nicht! Denn jetzt ist "Kampfeinsatz" in Afghanistan, sagte Merkel. Ein neues, ein präziseres Wort im Vergleich zu dem, das der Verteidigungsminister so gern im Mund führt, um zu erklären, was die Bundeswehr in Afghanistan tut: "Stabilisierungseinsatz."
Bei Merkel hörte sich das Nein zu allen vorzeitigen Abzugsforderungen staatsfraulich so an: "Die Folgen von Nichthandeln werden uns genauso zugerechnet wie die Folgen von Handeln. Das sollte jeder bedenken, wenn er ein Zurseitetreten Deutschlands bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus fordert."
Steinmeier formulierte es etwas handfester so: "Wir sind in unser Engagement in Afghanistan nicht kopflos hineingestolpert, deswegen dürfen wir auch jetzt nicht kopflos hinausstolpern."
Bei so viel Gleichklang musste Guido Westerwelle fast ein wenig mulmig zumute gewesen sein. Seine Rede, die bis auf eine sanfte Krittelei an Verteidigungsminister Jung vollständig mit Lob und Preis für Merkel getränkt war, hörte sich zu keinem Zeitpunkt nach Oppositionsbank an.
Von der erhob sich wenig später Oskar Lafontaine. Der Linksparteichef betonte, dass in Afghanistan der Westen immer größeres Unheil anrichte. Mit jedem weiteren Einsatz-Tag erhöhe sich auch die Gefahr eines Terroranschlags in Deutschland. Lafontaines Forderung: Abzug der deutschen Soldaten - bis 2011.
Bis zu diesem Zeitpunkt war die Debatte geschäftsmäßig bis unaufgeregt. Doch dann kam Jürgen Trittin. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion legte direkt auf den Verteidigungsminister an: "Ihr Grundsatz lautet: vertuschen, leugnen, und - wenn es gar nicht anders geht - entschuldigen für das, was Sie vorher bestritten haben."
Gemeint war die allseits kritisierte Informationspolitik von Franz-Josef Jung, der erst hartnäckig die Existenz ziviler Opfer in Kundus leugnete, um am Dienstag beizudrehen. Sollte sich erweisen, dass bei dem Luftschlag von Kundus unschuldige Dorfbewohner ihr Leben ließen, so Jung, werde man sich darum kümmern.
Was im Klartext wohl bedeutet: hinfahren und den Angehörigen Entschädigungsgeld zahlen. Die Amerikaner, viel erfahrener bei Kollateralschäden, machten es geschickter, sagte Trittin: erst entschuldigen, dann entschädigen, dann erst untersuchen.