Das Öl sprudelt noch lange nicht

Fördermenge ist wegen des Bürgerkrieges deutlich gesunken.

Hamburg. Ein kurzer Moment der Euphorie ließ den Ölpreis am Montag wegen des Vormarsches der Rebellen auf 105 Dollar für ein Barrel der Nordsee-Sorte Brent fallen. Wenn libysches Öl bald wieder in Mengen fließt und gleichzeitig die Weltkonjunktur einen Gang herunterschaltet, dann müsste der Ölpreis dauerhaft sinken, hieß es bei Rohstoffhändlern und Analysten. Doch am Dienstag ging es schon wieder aufwärts Richtung 109 Dollar. „Die großen Trends auf dem Ölmarkt werden im Moment nicht in Libyen gemacht“, sagt der unabhängige Hamburger Ölexperte Steffen Bukold.

Unter dem libyschen Wüstensand liegen rund 6,3 Milliarden Tonnen Rohöl von feinster Qualität, mehr als in jedem anderen afrikanischen Land. Libyen ist völlig von dem Rohstoff abhängig: 95 Prozent der Exporteinnahmen und 80 Prozent des Staatsbudgets werden durch die Ölausfuhren erzielt. Doch während des Bürgerkriegs ist aus dem mächtigen Strom ein dünnes Rinnsal geworden. Bei einer Kapazität von rund 1,6 Millionen Barrel pro Tag wurden zuletzt nur noch 60 000 Barrel gefördert.

„Nun muss erst einmal untersucht werden, wie stark die Förderanlagen durch den Bürgerkrieg zerstört worden sind“, sagt Leon Leschus vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI. Die Informationslage ist unübersichtlich; lediglich im Osten des Landes soll es noch intakte Ölförderanlagen geben, die für rund 400 000 Barrel am Tag gut sind — ein Viertel der Kapazität. Die Internationale Energieagentur IEA erwartet, dass Libyen erst 2015 wieder so viel Öl fördert wie vor dem Bürgerkrieg.

Bukold macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Jetzt müssen wohl sehr viele Verträge neu ausgehandelt werden, und bislang ist nicht absehbar, wann es wieder zuverlässig arbeitende Institutionen geben wird.“

Für die deutsche Ölindustrie ist Libyen eines der wichtigsten Lieferländer. Im vergangenen Jahr verarbeiteten die Raffinerien rund 7,3 Millionen Tonnen libysches Rohöl; das sind knapp acht Prozent der Gesamtimporte. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Kamen im Januar noch fast 750 000 Tonnen libysches Öl nach Deutschland, so waren es im Juni nur noch 22 000.

Für die Raffinerien in Deutschland ist das kein Problem; sie können auf andere Lieferanten ausweichen. Die fehlenden Mengen aus Libyen haben aber dazu beigetragen, dass sich der Ölpreis schon seit Februar über 100 Dollar hält und zeitweise bis auf 126 Dollar stieg.