Landtagswahl 2017 Das planen NRWs Parteien in der Schulpolitik (mit Video)

In unseren Wahlprüfsteinen stellen die Parteien dar, was sie nach der Landtagswahl auf den wichtigsten Politikfeldern vorhaben. Heute gibt es die Konzepte zum Thema Schule.

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Frage 1: G8 oder die Rückkehr zu G9 — wie lange soll künftig nach Meinung Ihrer Partei die gymnasiale Schulzeit ausfallen?

Frage 2: Was wollen Sie gegen den Unterrichtsausfall an den Schulen in Nordrhein-Westfalen unternehmen?

Frage 3: Stichwort gemeinsames Lernen: Wie wollen Sie das Ziel der Inklusion weiter verfolgen?

SPD

ANTWORT 1: Wir werden die Sekundarstufe I an Gymnasien wieder auf sechs Jahre verlängern. Danach entscheidet jede Schülerin und jeder Schüler eigenständig, ob sie oder er durch die Belegung von zusätzlichen Kursen in der Klasse 10 das Abitur nach 12 Jahren machen oder sich alternativ durch ein zusätzliches Orientierungs- und Vertiefungsjahr 13 Jahre Zeit lassen will. Unser flexibles Modell ermöglicht jedem Schüler und jeder Schülerin einen individuellen Weg zum Abitur.

ANTWORT 2: Die Schüler-Lehrer-Relation ist entscheidend für eine gute Unterrichtsversorgung. Wir werden sie an allen Schulen weiter verbessern und Transparenz über Unterrichtsausfall und seine Ursachen herstellen. Um Unterrichtsausfälle, insbesondere bei langfristigen Abwesenheiten von Lehrkräften, wirksam zu vermeiden, werden wir den Einsatz von Vertretungskräften erleichtern.

ANTWORT 3: Jedes Kind in diesem Land ist gleich viel wert. Wir haben die UN-Konvention einer inklusiven Gesellschaft Schritt für Schritt mit Schwerpunktschulen umgesetzt. Lehrer, Eltern und Schüler sollen nicht überfordert werden. Hinweisen, was, wo, wann noch nicht optimal läuft, werden wir nachgehen. Das Ziel der Inklusion ist und bleibt für uns Herzensangelegenheit.

CDU:

ANTWORT 1: Wir wollen die Wahlfreiheit für Schulen: Wo G8 gut läuft, sollen Gymnasien bei G8 bleiben können. Schulen, die sich anders entscheiden, geben wir die Möglichkeit, zu einem echten G9 zurückkehren.

ANTWORT 2: Der ständige Unterrichtsausfall ist ein Rückschlag für die Bildungs- und Aufstiegschancen unserer Kinder. Wir werden Unterrichtsausfall bekämpfen, indem wir ihn, anders als die rot-grüne Landesregierung, definieren, schulscharf messen, die Vertretungsreserven ausbauen und mehr Lehrer einstellen.

ANTWORT 3:
Das richtige Ziel der schulischen Inklusion wurde in Nordrhein-Westfalen mit der ideologischen Brechstange eingeführt. Wir wollen die Inklusion so gestalten, dass sie allen Kindern, behindert oder nicht, zugutekommt. Wir sind außerdem davon überzeugt, dass Eltern entscheiden können müssen, ob ihr behindertes Kind besser an einer Regelschule oder an einer Förderschule aufgehoben ist. Deshalb gilt: Solange an vielen Regelschulen noch Sonderpädagogen und bauliche Voraussetzungen für inklusiven Unterricht fehlen, darf in NRW keine weitere Förderschule geschlossen werden. Um das Schulangebot schrittweise inklusiv auszubauen, wollen wir allgemeine Schulen aller Schulformen als Schwerpunktschulen benennen, in denen Kinder und Jugendliche ohne und mit Behinderung gemeinsam unterrichtet werden. Solch ein schrittweiser Ausbau ermöglicht den gezielten Einsatz von Ressourcen. Gleichzeitig werden wir die bewährten - von der CDU eingeführten und von der aktuellen Landesregierung vorschnell abgeschafften - Kompetenzzentren wieder einführen und mittelfristig zu regionalen Inklusionszentren weiterentwickeln, an denen neben den allgemeinbildenden Schulen auch immer mindestens eine Förderschule, die zuständigen Schul- und Jugendämter, Weiterbildungseinrichtungen, die örtliche Handwerkskammer sowie gesellschaftliche Partner (Vereine, Kirchen, Wohlfahrtsverbände) zu beteiligen sind.

Grüne:

ANTWORT 1: Es ist nicht wichtig, ob Kinder zwölf, 13, oder 14 Jahre in die Schule gehen. Wichtig ist, dass sie den besten Abschluss schaffen, den sie erreichen können. Wir setzen darauf, dass Kinder und Jugendliche länger gemeinsam lernen und jedes Kind seine Talente entfalten kann — im eigenen Tempo. Statt einer starren Schulzeit für alle führen wir die flexible Schulzeit für jedes Kind ein. Zwischen Klasse 7 und 10 wird die Lernzeit an allen Schulen individuell angepasst. Den unproduktiven Streit um G8 oder G9 beenden wir Grüne damit endlich.

ANTWORT 2: Wir wollen Unterrichtsausfall so erfassen, dass es ein vollständigeres Bild gibt, ohne die Schulen übermäßig mit Verwaltungsarbeit zu belasten. Ausdrücklich sehen wir Projektwochen, pädagogisch sinnvolle Klassenfahrten, Besuche von Museen oder Erinnerungsstätten nicht als ausgefallenen Unterricht.
Wir werden die Schulen weiterhin dabei unterstützen, Unterrichtsausfall so weit wie möglich zu vermeiden. Die Verringerung von strukturellem Unterrichtsausfall ist für uns Grüne eine Daueraufgabe, die wir mit den vielen Neueinstellungen von Lehrern angegangen sind. Den Schulen stehen heute 18 000 Stellen mehr zur Verfügung als noch 2010.

ANTWORT 3: Wir teilen aus Überzeugung das Ziel der Vereinten Nationen, ein inklusives Schulsystem aufzubauen. Wir wollen eine Schule, in der alle Kinder willkommen sind. Deshalb wollen wir auch nach 2017 die Inklusion auf Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention schrittweise, aber konsequent weiterführen. Klar ist aber auch: Inklusion — nicht nur in der Schule — ist eine Generationenaufgabe, die sorgfältig und mit Bedacht umgesetzt werden muss. Wie wissen, dass die schulische Inklusion eine Herausforderung ist. Deshalb wird der Veränderungsprozess eng begleitet und stetig nachgesteuert. Die Investitionen — seit 2010 hat das Land mehr als eine Milliarde Euro in die schulische Inklusion investiert und mehr als 4000 Stellen für Lehrer und Sozialpädagogen geschaffen - werden wir fortführen und bei Bedarf anpassen. Den multiprofessionellen Teams wollen wir darüber hinaus spezielle Zeit für die Beratung miteinander geben.

FDP:

ANTWORT 1: Im Zentrum muss die Qualität gymnasialer Bildung stehen. Wir wollen alle Gymnasien personell und organisatorisch besser unterstützen. Die FDP hat sich massiv dagegen gewehrt, dass Rot-Grün nach dem Doppeljahrgang rund 2000 Stellen an Gymnasien abgebaut hat. Neben einer besseren Lehrerversorgung wollen wir die Schulen z.B. von Dokumentationspflichten entlasten, durch Schulverwaltungsassistenten begleiten und die schlechtere Ausstattung des Gymnasiums mit multiprofessioneller Unterstützung beenden. Diejenigen Gymnasien, die G8 wollen, müssen in Ruhe ihre Arbeit fortsetzen können. Aber von manchen Schülern und Eltern wird G8 als Belastung empfunden. Deshalb wollen wir Gymnasien ermöglichen zu entscheiden, ob sie ihr Angebot auf einen neunjährigen Bildungsgang (G9) umstellen wollen. Auch eröffnen wir den Schulen unter qualitativen Voraussetzungen die Wahl eines Modells, in dem sie parallel G8 und G9 anbieten können.

ANTWORT 2: Mit großer Sorge sehen wir rot-grüne Festlegungen, nach der Wahl fast 7000 Lehrerstellen zu streichen. Die FDP fordert stattdessen eine schulscharfe Erfassung des Unterrichtsausfalls und eine Unterrichts-Garantie für alle Schulen. Wir brauchen mehr und nicht weniger Lehrer. Weil wir wissen, dass Ausfälle des Personals sich nicht vermeiden lassen, wollen wir zunächst eine 105-prozentige, mittelfristig eine 108-prozentige Lehrerversorgung als Vertretungsreserve.

ANTWORT 3: Bei der Umsetzung der Inklusion muss das Tempo der Qualität folgen. Die FDP fordert verbindliche Qualitätsstandards etwa zu Doppelbesetzungen mit Lehrkräften, zu sonderpädagogischem Fachpersonal, zu Fortbildung und Unterstützung durch Schulsozialarbeit oder zur Sachausstattung. Wenn qualitativen Basisstandards an einer allgemeinen Schule nicht entsprochen wird, dürfen keine inklusiven Lerngruppen gebildet werden. Um dem Rechtsanspruch bestmöglich zu entsprechen, ist verstärkt mit Schwerpunktschulen zu arbeiten, um Ressourcen besser zu bündeln. Um Wahlmöglichkeiten für Familien zu sichern, muss die Schließung von Förderschulen gestoppt werden.

Die Linke

ANTWORT 1: Die Linke ist klar gegen das Turbo-Abitur, also gegen G8. Die Sekundarstufe I soll an allen Schulformen bis zur zehnten Klasse gehen und so für alle Schülerinnen und Schüler einen mittleren Schulabschluss ermöglichen. Die Oberstufe soll in der Regel drei Jahre dauern. Die negativen Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass G8 sowohl grundsätzlich problematisch ist, als auch die konkrete Umsetzung in NRW schlecht war. Die Verkürzung der Schulzeit in der Sekundarstufe I hat zusätzlichen Stress für Schüler aber auch für Lehrende verursacht. Tatsächlich war die Einführung von G8 vor allem ein Programm zur Einsparung von Lehrerstellen. Deshalb muss die Rückkehr zu G9 nun auch mit der Schaffung zusätzlicher Lehrerstellen verbunden sein.

ANTWORT 2: Der Grund für den relativ hohen Unterrichtsausfall in NRW ist die zu knappe Zuweisung von Lehrerstellen für die einzelnen Schulen. Es gibt ausreichend Erfahrungswerte über Krankenstand und andere Ursachen (u.a. auch dienstliche Termine), die dazu führen, dass Unterricht ausfällt. Von daher muss die Lösung darin liegen, mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, so dass jede Schule eine kleine Vertretungsreserve bilden kann.

ANTWORT 3: Wir setzen uns für ein inklusives Schulsystem ein, d.h. wir wollen eine Schule für alle Kinder, wie es sie in Schweden oder Finnland gibt. Die Umsetzung der Inklusion in NRW ist aber aus unserer Sicht mangelhaft und das Land lässt viele Schulen einfach im Stich. Es fehlt an einer angemessenen räumlichen und sachlichen Ausstattung der Schulen und es fehlen auch qualifizierte Lehrkräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung. Wir fordern die Schaffung zusätzlicher Stellen, so dass es eine Doppelbesetzung im Unterricht von inklusiven Lerngruppen gibt. Gleichzeitig müssen die Lerngruppen kleiner werden und es müssen zusätzliche Räume zur Verfügung stehen. Dafür muss das Land die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

Alternative für Deutschland (AfD):

ANTWORT 1: Die Einführung des G8 diente der schnelleren „Verwertbarkeit“ der Abiturienten. Erfordernisse der Persönlichkeitsentwicklung, des Lerntempos von jungen Menschen, der notwendige Ausgleich von Ruhephasen und Lernphasen am Tag, die Bedeutung von hausarbeitlichem Lernen und die Bedeutung, außerhalb der Schule ehrenamtlich tätig zu sein, Sport und Musik zu betreiben, wurden sträflich ignoriert.
G8 kann nur für Einzelfälle gelten; in diesem Fall sollten besonders begabte Schüler eine Klasse überspringen dürfen.

ANTWORT 2:
Die Einsparungen im Bildungshaushalt bzw. ideologisch motivierte Kanalisation der Gelder am eigentlichen Bildungsauftrag vorbei ist ein Skandal an sich. Lehrer müssen grundsätzlich wieder verbeamtet werden, dem eklatanten Lehrermangel muss entschlossen entgegengewirkt werden. Die Inklusion und die Beschulung vieler Migrantenkinder hat die Mangelsituation noch verschärft und bedarf entsprechender Korrekturen.

ANTWORT 3: Die Idee, Kinder mit Förderbedarf in Regelklassen zieldifferent unterrichten zu sollen, ist vollkommen wirklichkeitsfremd und kontraproduktiv. Eine Gruppe wird über-, die andere unterfordert: eine klassische „lose-lose-Situation“ und Ergebnis von Ideologie statt Realitätssinn. Kinder mit Förderbedarf zu fördern ist das Gegenteil von Diskriminierung. Paragraf 24 der UN-Behindertenkonvention verlangt — anderslautenden und stereotyp vorgetragenen Behauptungen zum Trotz — keineswegs die Auflösung der Förderschulen, sondern verlangt mit Artikel 4 und 5, dass alle Maßnahmen zur besonderen Unterstützung von Kindern mit Förderbedarf nicht diskriminierend sein dürfen. Wirkliche und echte Humanität zeigt sich darin, dass die jeweiligen Kinder in eine Schule gehen dürfen, die für ihre jeweiligen Bedürfnissen am meisten leisten kann.

Piraten:

ANTWORT 1: Wir fordern die Rücknahme des G8, die Weiterentwicklung eines G9 und die Einführung einer flexiblen Oberstufe. Zu einem mittleren Schulabschluss sollen alle Schüler nach der Grundschule eine sechsjährige Schulzeit mit einem Abschluss nach Klasse 10 durchlaufen. Die Sekundarstufe II (Oberstufe) soll nach einem Zertifikatssystem gestaltet werden. Sie soll zwei bis vier Jahre dauern können und von den Schülerinnen und Schülern inhaltlich und zeitlich individuell gestaltet werden.

ANTWORT 2: Wir benötigen dringend mehr Lehrkräfte an den Schulen. Im Augenblick können auch Quereinsteiger eine Lösung sein. Mittelfristig muss der Beruf attraktiver gestaltet und die Zahl der Studienplätze erhöht werden. Daneben brauchen die Schulen gut durchdachte Vertretungskonzepte.

ANTWORT 3: Wir fordern eine deutliche Verbesserung für alle Schulen in NRW zur Umsetzung der Inklusion. Dazu gehört, dass flächendeckend an allen Regelschulen durch Doppelbesetzung ausreichend Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen die entsprechende Förderung gewährleisten. Die flächendeckende Versorgung mit Förderschulen bzw. Förderklassen soll zusätzlich zum inklusiven Unterricht erhalten bleiben, um eine echte Wahlmöglichkeit und individuelle Fördermaßnahmen zu bieten. Für alle Schülerinnen und Schüler soll eine maximale Klassengröße von 20 gelten. An inklusiv arbeitenden Schulen sind darüber hinaus Mindeststandards auch für die sächliche und räumliche Ausstattung zu vereinbaren. Mit den kommunalen Spitzenverbänden müssen dringend Mindeststandards für die Qualifikation von Inklusionsassistentinnen und Inklusionsassistenten vereinbart werden. Ebenso muss die rechtliche Stellung und der Arbeitsrahmen von Inklusionsassistentinnen und Inklusionsassistenten an den Schulen definiert werden.