Der Sinn von Viren Ist das Virus wirklich nur böse?
Düsseldorf · Der weltweite Schaden durch Covid 19 ist immens. Doch Viren sind nicht nur unnütz. Was gut ist in all dem Schlechten.
„Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.“ In Vers 25 der biblischen Schöpfungsgeschichte sind Viren im Allgemeinen und das Coronavirus im Besonderen zwar nicht erwähnt. Aber auch an diese Erscheinungen im Grenzbereich des Lebens dürfte der Schöpfer gedacht haben. Trotz der verschwindend geringen Größe von 0,000015 Zentimetern wird ein Allmächtiger das Virus nicht übersehen, sondern bewusst geschaffen haben. Doch egal, ob wir von der Schöpfungsgeschichte oder von der Evolutionslehre her denken, so ist die Frage die gleiche: Sind Viren auch für etwas gut? Und eben nicht nur schlecht? Haben sie ihren Sinn in der Welt?
Jedenfalls auf Anhieb lässt sich ein solcher Sinn nicht erkennen. Treibt doch das Virus sein Unwesen mittlerweile auf der ganzen Welt, tötet Menschen und legt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben lahm. Wie soll all das denn sein Gutes haben? Oder übersehen wir da etwas, weil unser Blick verstellt ist? Weil wir auf der Opferseite stehen? Ein Perspektivwechsel: Wie würden wohl Rinder, Schweine, Hühner, so sie reflektieren könnten, über den Menschen denken, der sich mit ähnlich kalter Aggression über sie hermacht? Gefressen und Gefressen werden – es ist die alte Geschichte des ganz und gar nicht friedlichen Lebens.
Viren als Stellschrauben für das ökologische Gleichgewicht
Die Evolution und ihre Prinzipien, nach denen Mutationen und Selektionen zu immer neuer Verbesserung führen, verheißen aus Menschensicht auch im aktuellen Fall nichts Gutes. Eine „Verbesserung“ des Virus durch mögliche Mutationen in diesem Sinne bedeutet, dass sich am Ende im Konkurrenzkampf das Virus durchsetzen wird, das noch leichter übertragbar ist als das, mit dem wir es bisher zu tun haben. Keine guten Aussichten für die „menschliche Beute“.
Doch die Wissenschaft weiß längst auch um die Nützlichkeit von Viren: So sagte der im Zusammenhang mit der Corona-Krise bekannt gewordene Virologe Christian Drosten 2017 im Interview mit der „Welt“: „Viren sind eine Stellgröße der Natur, die sich aus gutem Grund über Jahrmillionen gebildet hat. Ohne sie würden viele Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten. Viren befallen Füchse, wenn ihre Beute, die Hasen, eine Pause braucht. Oder die Hasen, damit sich die Karotten erholen können.“ Viren kontrollieren auch im Meer, wer dort überlebt und wer nicht. Sie sorgen für ein Gleichgewicht zwischen den Organismen und damit für den Artenreichtum.
Selbst im menschlichen Körper können Viren nützlich sein. Sie helfen, so Drosten, die Darmschleimhautzellen in steter Alarmbereitschaft zu halten, so dass sich der Darm trotz all der Bakterien nicht entzündet. Und längst denkt die Medizin daran, Viren auch ganz gezielt einzusetzen, um damit Tumorzellen anzugreifen.
Nützliche Katastrophenübung für schwerere Fälle?
Dass das Coronavirus derzeit für die menschliche Gesellschaft einen immensen Schaden anrichtet, ist offensichtlich. Aber hat es nicht auch jenseits medizinischer und evolutionsbiologischer Nützlichkeiten in unserer Gesellschaft sein Gutes? Die jetzt einbrechende Wirtschaft inklusive stark verminderter Flugbewegungen hat einen reduzierenden Effekt auf den Kohlendioxidausstoß. So etwas konnten sich die Protestler von „Fridays for Future“ nur erträumen.
So chaotisch die Bekämpfung der Corona-Folgen weltweit und auch auf nationaler Ebene ablaufen – all das, mit dem wir uns jetzt konfrontiert sehen und mit dem die Gesellschaft irgendwie fertig werden muss, kann am Ende auch eine Chance sein: Die Corona-Krise als eine große globale Katastrophenübung für spätere Fälle. Für Pandemien, in denen man vielleicht mit noch wesentlich aggressiveren Viren fertig werden muss.
Und: Werden nun Lehren gezogen, um der Globalisierung eine Handbremse anzulegen – einer Globalisierung, die mit ihrer weltweiten Vernetzung ein idealer Nährboden nicht nur für eine schnelle weltweite Viren-Verbreitung ist. Sondern auch für den wirtschaftlichen Dominoeffekt, den eben diese enge Vernetzung mit sich bringt.
1898 erschien der Roman „Krieg der Welten“ von H.G. Wells. Da erobern Marsmenschen die Erde. Die Menschheit wird niedergemetzelt, scheint geschlagen. Da plötzlich wendet sich das Blatt. Das von irdischen Viren und Bakterien attackierte Immunsystem der Eindringlinge versagt. Ein Aggressor nach dem anderen verendet. Viren als Retter der Menschheit.
Im Hier und Jetzt sind die Menschen mangels Gegnern von außen jedoch die einzige Beute der unsichtbaren Angreifer. Da sind vor allem weitsichtiges politisches Krisenmanagement und wissenschaftlich-medizinische Kreativität gefragt. Und nicht ein achselzuckender Zynismus, der den Feldzug des Virus als eine Antwort der Natur sieht, um der Überbevölkerung gegenzusteuern.