Deutsche trotz viel Urlaub höchst produktiv
Dublin/Brüssel (dpa) - Beim Reisen sind die Deutschen als Urlaubsweltmeister bekannt - und haben so viel freie Tage wie sonst niemand in Europa. Wer viel frei hat, kann aber trotzdem viel leisten. Bei der Produktivität sind deutsche Arbeitnehmer vorne mit dabei.
Inklusive Feiertage kommen deutsche Beschäftigte auf 40 Urlaubstage im Jahr und halten gemeinsam mit Dänemark den Rekord in Europa. Das geht aus dem neuen EU-Bericht zur Arbeitszeit 2010 hervor, den die europäische Behörde Eurofound am Mittwoch in Dublin veröffentlichte. Zum Vergleich: Im EU-Schnitt haben Arbeitnehmer 34,4 Tage frei.
Trotz der vielen Freizeit ist die gesamtwirtschaftliche Produktivität Deutschlands - als größter Volkswirtschaft Europas - hoch. Denn die Wirtschaftsleistung hängt nicht nur von der Arbeitszeit, sondern auch von der Arbeitsleistung pro Stunde, den Lohnstückkosten, dem Fortschritt und der Qualität der Produkte ab. Während Deutschland vorne liegt, haben Krisenländer wie Griechenland in diesem Punkt Nachholbedarf.
Das zeigt ein Blick auf die Statistik zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, das die Arbeitsproduktivität misst. Laut Europäischer Statistikbehörde Eurostat liegt das hoch verschuldete und pleitebedrohte Griechenland bei diesem Faktor um 10 Prozent unter dem EU-Schnitt, Deutschland dagegen 20 Prozent über dem Mittelwert der 27 Länder.
Die vielen Urlaubstage der Deutschen wirken sich auch auf die Jahresarbeitszeit aus: Laut Tarifvertrag arbeiten die Beschäftigten in Deutschland 1659 Stunden im Jahr. Das sind 56 Stunden weniger als der EU-Schnitt. Die viel kritisierten Griechen kommen mit 1816 Stunden auf deutlich mehr.
Doch in der Praxis fallen hierzulande auch die meisten Überstunden an. Zwar ist tariflich eine Wochenarbeitszeit von 37,7 Stunden pro Woche vereinbart, allerdings kommen die Beschäftigten auf 40,5 Stunden, so der Bericht. Im EU-Durchschnitt sind es mit 39,7 Stunden etwas weniger; Griechenland liegt dabei genau im Schnitt, Portugal mit 39,5 Stunden leicht darunter.
Das Thema ist politisch brisant. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Mai Menschen in den wackelnden Euro-Staaten Griechenland und Portugal dazu aufgefordert, länger zu arbeiten. „Wir können nicht eine Währung haben, und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig“, sagte die Kanzlerin damals und löste einige Kritik aus. Hintergrund waren die Milliardenkredite, die die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland, Portugal und Irland gewährt, um diese Länder vor der Staatspleite zu bewahren.