Die Klima-Kanzlerin ist zurück

Der 2007 geprägte Titel ist Lob und Bürde zugleich. Angela Merkel will den hohen Erwartungen in Kopenhagen gerecht werden.

Brüssel. Die Kanzlerin ist ein wenig verschnupft. Das liegt nicht am EU-Gipfel, die Gespräche mit ihren europäischen Amtskollegen laufen besser als erwartet. Auch nicht an den störrischen Landesfürsten in der Heimat und den Diskussionen um das Steuerpaket, die alle anderen Themen zunächst zu überschatten drohen. Es ist Herbst, Schmuddelwetter, und Angela Merkel plagt offenbar eine einfache Erkältung.

Deswegen stärkt sie sich nach der ersten Verhandlungsrunde in Brüssel mit einer großen Kanne Tee. Bis in den späten Abend haben die 27 Staats- und Regierungschefs um eine gemeinsame Strategie gerungen, mit der sie in die letzte Woche des Weltklimagipfels gehen wollen. In Kopenhagen gibt es Knatsch, weil die Industriestaaten den ärmeren Ländern konkrete Verpflichtungen für einen geringeren Anstieg der Treibhausgas-Emissionen auferlegen wollen. Doch diese erwarten Gegenleistungen, eine faire Lastenteilung - schließlich sind die reichen Länder auch die größten Umweltverschmutzer.

Deswegen müssen die Europäer in Brüssel ein wichtiges Signal senden: Noch reichen die Angebote in Kopenhagen nicht aus, um ein erfolgreiches Abkommen zu schmieden. Merkel braucht aber den Erfolg. Der Titel "Klima-Kanzlerin", einst reine Anerkennung, ist mittlerweile auch Bürde. Nur wenn sie es schafft, die anderen Europäer zu Höchstleistungen anzuspornen, um dann auch die USA und China mitzureißen und zu einem ehrgeizigen Abschluss zu motivieren, wird der Gipfel ihr Ansehen in der Heimat heben. Wenn nicht, bleibt ein weiterer Rückschlag - nach dem Steuerstreit, dem Hickhack um die Causa Steinbach und dem Kundus-Debakel.

Tatsächlich ist der Klimaschutz eng mit Merkels politischem Einsatz verknüpft. Als Umweltministerin war sie 1995 Gastgeberin des ersten Klimagipfels in Berlin, der den Weg für das Kyoto-Protokoll bereitete. Umweltschutz war ein Kernthema, als die Kanzlerin die Kollegen der G8 in Heiligendamm zu Gast hatte und während des deutschen EU-Vorsitzes 2007.

Nun berät die Staatengemeinschaft in Kopenhagen darüber, wie es mit dem Weltklima weitergeht, und Merkel soll wieder die treibende Rolle spielen. Am Freitagmorgen telefoniert sie mit dem indischen Premierminister, um ihm noch einmal die Unterstützung der Europäer zuzusichern. "Wir brauchen eine ausreichende Finanzierung, die Zusagen der Schwellenländer sind daran geknüpft", wird sie später erklären. Dass sich jedes EU-Land zu konkreten Hilfen durchgerungen hat, wertet sie daher als einen wichtigen Zwischenschritt.

Ihre Gegner werfen Merkel dagegen Halbherzigkeit vor. Sie drücke auf die Bremse, weil sie nicht ehrgeizigere Reduktionsziele vorlege. Ein Erfolg der Verhandlungen ist noch längst nicht garantiert. Die Kanzlerin weiß, dass ihr eine harte Woche bevorsteht. Es weht ein rauer Wind. In Kopenhagen. Und in Berlin.