Eine Woche Althaus - Regieren als Therapie
Kritiker, darunter auch der Ehemann der getöteten Frau, vermissen weiterhin ein klares Schuldeingeständnis. Immer wieder wird Althaus Gefühlskälte attestiert und davor gewarnt, die seelische Aufarbeitung zu vernachlässigen.
Erfurt. Das Regieren erweist sich für Dieter Althaus alsGesundbrunnen. Munter und zugleich konzentriert wie selten hat derThüringer CDU-Ministerpräsident den Termin-Marathon der erstenAmtswoche nach seinem schweren Skiunfall absolviert. „Ich fühle michgut, es macht mir Spaß“, sagt er nach der Bürgersprechstunde am Freitagin seinem Heimatort Heiligenstadt.
Danach entschwindet er in ein freiesWochenende. An diesem Montag steht sein erster Auftritt in Berlin an.In der CDU-Präsidiumssitzung will sich der Erfurter Ministerpräsidentfür einen ehrlichen Bundestagswahlkampf ohneSteuersenkungs-Versprechungen einsetzen, wie er dem „Focus“ sagte. Amkommenden Samstag startet er dann auf dem Parteitag in Erfurt offiziellin den Wahlkampf zur Landtagswahl am 30. August.
Althaus erscheint erleichtert, dass er bei dem Unfall, bei dem eineFrau starb, mit einem Schädel-Hirn-Trauma vergleichsweise glimpflichdavongekommen ist. Immer wieder beginnt er seine Sätze mit den Worten„Ich bin dankbar“. Die Spanne ist dabei weit gefasst: Dankbarkeit fürseine Gesundheit, für die Unterstützung seiner Frau Katharina, die nacheiner viermonatigen Freistellung während seiner Krankheit jetzt wiederals Lehrerin arbeitet. Dankbarkeit für die Solidarität seinesKabinetts, für die Leistungen der Hochschulen, für den Neubau einerFabrik, die er am Mittwoch in Arnstadt eröffnet hat.
Der Ministerpräsident wirkt sehr konzentriert, bemüht, keine Zeichenvon Schwäche zu zeigen. Getragen wird er in den ersten Tagen von derEuphorie. „Ich erfahre überall großen Zuspruch“, sagt er nach seinemBesuch der Hannover Messe am Donnerstag. Rückhalt erfährt er vor allemdurch Parteifreunde.
Sein Kabinett applaudiert ihm bei der erstenSitzung am Dienstag - anerkennend für seine Entscheidung, so schnellzurückzukommen und erleichtert, dass er die Führung wieder übernimmt.Althaus genießt die Rolle des Unentbehrlichen. „Ich merke, dass allewieder froh sind, dass ich wieder der Regierung vorstehe.“
Selbst politische Gegner erkennen an, wie rasch sich derMinisterpräsident wieder ins politische Geschäft eingefunden hat.„Althaus ist wieder der alte“, sagt ein SPD-Politiker nach dem Kamin-Treffen der Länderverkehrsminister am Mittwochabend im Erfurter Dom.Dort hatte sie Althaus mit einer kurzen Abhandlung über die Bedeutungder Mobilität begrüßt.
Mit jedem Arbeitstag tritt der Unfall mit all seinen kritischenBegleiterscheinungen - etwa der Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung- ein Stück mehr in den Hintergrund. Kritiker, darunter auch derEhemann der getöteten Frau, vermissen weiterhin ein klaresSchuldeingeständnis. Immer wieder wird Althaus Gefühlskälte attestiertund davor gewarnt, die seelische Aufarbeitung zu vernachlässigen. Dochin dieser Frage lässt er nicht mit sich reden, zieht sich daraufzurück, dass er keine Erinnerung an den Unfall hat.
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner hat derRegierungschef auf die kommenden Wochen verschoben. Ausweichen kann erihr nicht, denn mit jedem Arbeitstag meldet sich auch der politischeAlltag zurück.