Eine totalitäre Überwachung?
Die Deutsche Bahn soll nicht nur Mitarbeiter elektronisch ausgespäht, sondern sogar belastende Dokumente gefälscht haben.
Düsseldorf. Ist der Daten-Skandal bei der Deutschen Bahn noch viel größer und schlimmer als bislang bekannt? Das berichtet jedenfalls der durch seine Enthüllungsreportagen bekannt gewordene Autor Günter Wallraff in einem zweiseitigen Artikel in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit".
Glaubt man den Ausführungen Wallraffs in der "Zeit", hat das Unternehmen nicht nur seine Mitarbeiter flächendeckend elektronisch ausgespäht, sondern ist sogar mit hochkriminellen Methoden gegen unbequeme Mitarbeiter vorgegangen: So sollen elektronische Dokumente gefälscht, E-Mails gelöscht und sogar Porno-Dateien und rechtsradikale Schriften auf den Rechnern missliebiger Mitarbeiter aufgespielt worden sein - unter anderem, um so "Beweise" für Kündigungen zu schaffen.
Ein Stellungnahme der Bahn-Konzernleitung zu dem Wallraff-Artikel war am Freitag trotz mehrfacher Anrufe in Berlin nicht zu erhalten.
In einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt soll die Bahn sogar ein gefälschtes Foto vorgelegt haben als Beweis für den fristgerechten Zugang einer Kündigung. Die Kamera-Daten auf dem Foto besagen, dass das Bild am 28. September 2007 um 15.29 Uhr entstand.
Das ist aber nach einem Gutachten des Dortmunder Fotografie-Professors Heiner Schmitz, über das auch die "Frankfurter Rundschau" (FR) berichtet, ausgeschlossen: Als vereidigter Sachverständiger hatte Schmitz entdeckt, dass bei 30-facher Vergrößerung des Fotos die Uhr des Bahn-Zustellers erkennbar wird - und diese eine völlig andere Uhrzeit zeigt. "Das Foto ist echt, aber die Datei-Eigenschaften sind gefälscht", zitiert die FR den Betriebsratsvorsitzenden in der Berliner Konzernzentrale der Bahn, Ralf Skrzipietz. "Die Bahn hatte wohl nicht beachtet, dass die Uhr erkennbar ist." Strafrechtlich wäre dies mutmaßlich eine "Fälschung technischer Aufzeichnungen" (Paragraph 268 des Strafgesetzbuches), die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann.
In der "Zeit" berichtet Wallraff noch über weitere Beispiele der angeblich "Orwellschen Zustände" bei der Bahn. Unter anderem sei einem Mitarbeiter gekündigt worden, der als Gegner des Börsengangs galt und für den Betriebsrat kandidieren wollte. Offizielle Begründung: Eine Überprüfung habe ergeben, dass der Mann über seinen dienstlichen Computer während der Arbeitszeit tierpornographische Seiten aus dem Internet aufgerufen habe. Allerdings: Der Mann soll laut Kündigungsschreiben diese Seiten täglich über viereinhalb Stunden aufgerufen haben - in einem Großraumbüro mit zahlreichen Angestellten. Nachdem der Mann behauptet hatte, sein Rechner sei manipuliert worden, wurde die Kündigung angeblich zurückgenommen.
Die Bahn wies die Vorwürfe der Beweismittelfälschung am Freitag ineiner Pressemitteilung entschieden zurück und kündigte rechtlicheSchritte an. Zu Details wollte sie sich wegen eines laufendenVerfahrens vor dem Arbeitsgericht nicht äußern.