Empörung über Erdogans Einfluss
Sein Auftritt in Deutschland soll verhindert werden. Neue Vorwürfe gibt es im Zusammenhang mit Schulen und dem Bamf.
Düsseldorf. Die Diskussion um türkische Einflussnahmen in Deutschland verschärft sich. Zugleich nimmt die Zahl der Vorwürfe an die Adresse der Türkei zu. So soll es seitens türkischer Konsulate Versuche gegeben haben, Lehrer, Eltern und Schüler an deutschen Schulen zu Denunziationen zu bewegen. Kritik gibt es auch an einer Projektförderung für den türkisch-islamischen Dachverband Ditib durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf).
In Deutschland wächst zudem der Widerstand gegen einen möglichen Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten Erdogan. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und die NRW-Landesregierung fordern, eine solche Veranstaltung zu untersagen. Die Bundesregierung müsse Erdogan „deutlich machen, dass er vor dem Referendum hier nicht erwünscht ist“, sagte Özdemir. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) forderte im „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Es ist Aufgabe des Bundes, dafür zu sorgen, dass solche Auftritte weder in NRW noch irgendwo anders in Deutschland stattfinden.“
Die Türken entscheiden am 16. April in einem Referendum über das Präsidialsystem, das Erdogan deutlich mehr Macht verleihen würde. Abstimmen dürfen auch die rund 1,4 Millionen Türken, die in Deutschland leben. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, die Länder seien für die Anwendung des Versammlungsrechts zuständig. Offenbar will man auf Bundesebene diplomatische Verwicklungen durch ein Einreiseverbot für Erdogan vermeiden.
Die türkischen Konsulate in Nordrhein-Westfalen sollen türkischstämmige Lehrer und Eltern dazu aufgefordert haben, Schulen zu bespitzeln und Lehrer zu melden, die sich kritisch über die Türkei äußern. Das bestätigte gestern der NRW-Landesverband der Bildungsgewerkschaft GEW auf Anfrage unserer Zeitung. Die Justiz und Sicherheitsbehörden des Landes sind alarmiert. Verschiedene Lehrer, die Mitglieder der GEW sind, hätten der Gewerkschaft über Infoveranstaltungen in den Konsulaten in Düsseldorf, Essen, Köln und Münster Ende Januar berichtet.
Würden sich die Vorwürfe bewahrheiten, „dann versucht die türkische Regierung, eine gesellschaftliche Spaltung in Nordrhein-Westfalen herbeizuführen“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Nähere Angaben wollte die GEW nicht machen, um die Identität derjenigen Lehrer zu schützen, die von den Infoveranstaltungen berichtet hatten. „Diese Lehrer haben Angst vor Repression“, sagte Schäfer weiter, schon diese Tatsache sei „vollkommen inakzeptabel“. Denn Lehrer, die sich im Unterricht kritisch mit der türkischen Regierung auseinandersetzen, „machen von einem deutschen Grundrecht Gebrauch“, sagte Schäfer.
Das NRW-Schulministerium hat das türkische Generalkonsulat in Düsseldorf zu einer Stellungnahme aufgefordert, wie ein Sprecher von Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gestern mitteilte. Zudem seien Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden.
Derweil hat Volker Beck, religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, die Projektförderung der Ditib durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Hinweis auf die diversen Spitzelvorwürfe kritisiert. „Das Bamf sollte die Zusammenarbeit mit der Ditib aussetzen, bis sich alle Verdächtigen gestellt haben. Alles andere würde nicht die Flüchtlingsarbeit und das Ehrenamt stärken, sondern das Regime Erdogan“, sagte er unserer Zeitung.
Auf Becks Anfrage hin hatte das Amt bestätigt, dass auf Anregung der Deutschen Islamkonferenz seit Anfang 2016 ein Projekt gefördert wird, mit dem Ehrenamtliche in den Moscheegemeinden für die Integrationsarbeit mit Flüchtlingen qualifiziert werden. Neben der Ditib würden noch vier weitere der neun muslimischen Verbände gefördert, die der Deutschen Islamkonferenz angehören. Das Projekt stehe aber allen Dachverbänden und Moscheegemeinden offen. Das Geld dafür kommt vom Bundesamt, dem Bundesinnenministerium, dem Bundesfamilienministerium und der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung.
Beck hatte in seiner Anfrage an das Bamf geschrieben, es müsse sichergestellt werden, dass im Rahmen der Flüchtlings- und Integrationsarbeit „antisemitischer Hetze und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit kein Vorschub geleistet wird“.