Ende eines Skandals — Mexiko lässt Französin nach sieben Jahren frei
Die heute 38-jährige Florence Cassez war wegen Entführung zu 96 Jahren Haft verurteilt worden. Am Donnerstag kehrte sie nach Paris zurück.
Paris. Endlich frei, endlich wieder daheim in Frankreich, endlich geborgen in den Armen der Eltern: Das Oberste Gericht in Mexiko-Stadt hat die Französin Florence Cassez (38) nach sieben Jahren Haft überraschend freigelassen und das Urteil wegen Entführung aufgehoben. Eine knappe Entscheidung mit drei gegen zwei Richterstimmen. Eine, die in Frankreich eine Woge kollektiver Freude auslöste.
Florence Cassez wird von ihren Landsleuten gefeiert wie eine Heldin. Als der Air-France-Jumbo nach zehnstündigem Flug am Donnerstag um kurz vor zwei Uhr auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle aufsetzt, stehen Außenminister Laurent Fabius und der Verkehrsminister auf dem Rollfeld: als offizielles Begrüßungskomitee für eine willensstarke Frau, die den größten Kampf ihres Lebens gewonnen hat.
„Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben“, sagt die sichtlich gerührte 38-Jährige. Den Augenblick der Freilassung habe sie zuerst wie einen „Schock“ erlebt. Sie fügt hinzu: „Ich bin unschuldig und frei.“ Florence Cassez küsst ihren Bruder Sébastien und herzt Freunde, sie winkt und strahlt übers ganze Gesicht.
Die „Causa Cassez“ handelt von einem Justizskandal, der die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Mexiko bis auf den Gefrierpunkt abkühlen ließ. Auslöser ist ein Kriminalfall, der gut sieben Jahre zurückliegt und in zwei Verhaftungen mündet — einer echten und einer inszenierten.
Am 8. Dezember 2005 nimmt die mexikanische Polizei Israël Vallarta und seine Freundin Florence Cassez fest. Ihnen werden drei Entführungen sowie die Gründung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Er gilt als Kopf der „Zodiak“-Bande, sie als Komplizin. Tags darauf kommt es zur zweiten „Verhaftung auf frischer Tat“, die auf Wunsch der Polizeiführung fürs mexikanische Fernsehen noch einmal medienwirksam in Szene gesetzt wird. Zwar räumt das mexikanische Bundeskriminalamt später diese folgenschwere Manipulation und andere ein, doch im März 2008 — nach 18-monatigem Strafprozess — wird die Französin zu einer Haftstrafe von 96 Jahren verurteilt, die im Jahr darauf auf 60 Jahre abgemildert wird.
Daheim in Frankreich bildet sich ein Unterstützer-Komitee, dem Schauspieler und Regisseure angehören. Doch Charlotte und Bernard Cassez, die Eltern, schöpfen erst wieder Mut, als der Staatspräsident sie im Élysée-Palast empfängt und sich für ihre Tochter einsetzt. „Nicolas Sarkozy hat mein Leben gerettet“, bedankt sich Florence Cassez bei der Rückkehr.