Erfolgreich, geschäftig, alkoholkrank

Unions-Fraktionsvize Schockenhoff gibt auf seiner Website seine Abhängigkeit zu. Er ist nicht der einzige Suchtkranke im politischen Hauptstadtbetrieb.

Berlin. Die Web-Seiten der Bundestagsabgeordneten werden normalerweise von den Volksvertretern zur massiven Eigenwerbung genutzt, um zu dokumentieren, wie wichtig sie in Partei, Fraktion und dem Berliner Alltagsleben sind.

Bei dem stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schockenhoff sieht das ein wenig anders aus: Die Internet-Besucher bekommen gleich nach der Begrüßung eine „persönliche Erklärung“ des 54-jährigen Pädagogen präsentiert.

In dürren Worten präsentiert er sein Problem: „Mir ist bewusst, dass ich alkoholkrank bin.“ Er werde sich in stationäre Behandlung und medizinische Betreuung begeben.

Der Volksmund nennt das „Entziehungskur“. Hintergrund: Gegen den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden läuft ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren. Er soll sich nach einer Veranstaltung alkoholisiert hinter das Lenkrad gesetzt haben und beim Ausparken ein anderes Fahrzeug beschädigt haben.

Das Thema „Alkohol und Politik“ gilt in der Politik als ein Tabu. Das wurde erstmals durchbrochen, als Joschka Fischer 1983 schimpfte: „Der Bundestag ist eine unglaubliche Alkoholikerversammlung, die teilweise ganz ordinär nach Schnaps stinkt.“

Die These stieß auf heftigen Protest. Doch der damalige Grünen-Frontmann hatte die Realität im Grundsatz korrekt beschrieben. Ein offensichtlich stark angetrunkener CSU-Chef Franz-Josef Strauß kommentierte einmal das Bundestagswahlergebnis der Union live im Fernsehen. Ein FDP-Bundestagsabgeordneter erheiterte das Plenum zu mitternächtlicher Stunde nach dem Besuch der Bundestagsbar mit einer Stammel-Rede. Viele Politiker-Karrieren zerrannen wegen Alkoholvergehen: Erst kürzlich behielt die Polizei den Führerschein des bisherigen Wahlkampfchefs der Bündnis-Grünen, André Stephan, ein. Er war alkoholisiert mit seinem Auto unterwegs und vor einer Ampel eingeschlafen.