Euro-Krisengespräch auf Sylt
Finanzminister Schäuble empfängt seinen US-Kollegen.
Berlin. Ein Begriff geht um. „Sofortiger Sofortismus.“ Jean-Claude Juncker hat ihn im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ erfunden und damit den immensen Zeitdruck beschrieben, unter dem die Hüter und Retter der europäischen Gemeinschaftswährung stehen.
Der Chef der Euro-Gruppe und luxemburgische Ministerpräsident beschreibt damit ein Dilemma im Kampf gegen die Zockerei an den Finanzmärkten: „Man räumt uns ja nicht mehr das Recht ein, nachzudenken.“ Eine Stellungnahme jage die nächste, ein regelrechtes „Reaktionsfeuer““ treibe die politischen Akteure.
Sofortiger Sofortismus? US-Finanzminister Timothy Geithner landete am Montag „kurzfristig“ auf Sylt, wo Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versucht, einige Tage Auszeit von der Euro-Rettung zu nehmen. Ein Besuch, angesetzt „auf Wunsch der US-Seite“, wie es im Hause Schäuble heißt. Am Ende steht demonstrative Zuversicht über die „Reformanstrengungen“ in der Euro-Zone.
Es ist Sommer, das Parlament macht eigentlich Pause. Doch die Räder der stillen Euro-Krisendiplomatie drehen sich in einem irren Tempo. Erst berät Geithner auf Sylt mit Schäuble, dann fliegt er weiter nach Frankfurt, wo er den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, trifft.
Der wiederum hat in der vergangenen Woche aufhorchen lassen, als er sagte, die EZB werde innerhalb ihres Mandates „alles Erforderliche“ tun, um den Euro zu retten.
Eine Aussage mit Nebenwirkung. Die EZB, der eigenen Unabhängigkeit verpflichtet, werde wohl stärker in den Kampf gegen die Schuldenkrise eingreifen, deuteten Finanzmarktbeobachter Draghis Aussage prompt. Eine Möglichkeit dabei: Der Euro-Rettungsfonds EFSF kauft privaten Banken spanische Staatsanleihen ab, um damit die Zinsen für das hoch verschuldete Spanien zu senken.
Schäuble hingegen hatte jüngst erklärt, an solchen Aufkaufplänen sei „nichts dran“. Sein Ministerium verbreitete: „An erster Stelle stehen die Reformanstrengungen der Mitgliedsländer selbst.“
Doch allein dies wird den Euro nicht stabilisieren. So telefonierte Bundeskanzlerin Angela Merkel erst mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande, einen Tag später mit Italiens Ministerpräsident Mario Monti. Zweimal heißt es danach, man werde „alles tun, um die Euro-Zone zu schützen“.
Echter Urlaub sieht anders aus, auch für eine Kanzlerin und ihren derzeit wohl wichtigsten Minister. Die Lage muss ernst, vermutlich sogar dramatisch sein, wenn Termine für Krisentelefonate und persönliche Treffen „kurzfristig“ derart eng getaktet werden.
Euro-Gruppenchef Juncker verlangt ein unmissverständliches Zeichen: „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir mit allen verfügbaren Mitteln überaus deutlich machen müssen, dass wir fest entschlossen sind, die Finanzstabilität der Währungsgemeinschaft zu gewährleisten“, sagt Juncker.