Euro-Retter sind selbst unter Druck
Kritiker warnen, dass Deutschland nicht unendlich belastbar ist — auch wenn es noch als „sicherer Hafen“ gilt.
Brüssel. Neuer Nackenschlag für Deutschland und die anderen Euro-Retter: Moody’s zweifelt an der Finanzkraft der Bundesrepublik. Schon länger kursieren Sorgen, dass die Krise Deutschland in den Abgrund zieht.
Die Rating-Agentur Moody’s droht Deutschland sowie den als ebenfalls sehr solide geltenden Euro-Staaten Niederlande und Luxemburg damit, deren Spitzen-Kreditwürdigkeit künftig weniger gut als bisher zu beurteilen. Deutschland schultert als größter EU-Staat die größten Risiken bei der Euro-Rettung.
Die Bonitätswächter nennen mehrere Gründe, warum sie derzeit vorsichtiger auf Deutschlands Top-Kreditwürdigkeit schauen. Einer der Gründe: Berlin gewährt klammen Ländern Notkredite aus dem Euro-Rettungsfonds. Diese können das nötige Geld relativ günstig an den Finanzmärkten leihen. Das Problem: Deutschland muss für den Euro-Nottopf bürgen. Das ist eine große Belastung für die Wirtschaft.
Nein. Nicht nur in Deutschland warnen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler seit längerem, dass Deutschland im Krisenkampf nicht unbegrenzt belastbar ist. Schon im Januar hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewarnt: „Wir sind solidarisch, dürfen aber auch die Eigenverantwortung nicht vergessen.“ Die Deutschen müssten aufpassen, dass ihnen bei der Euro-Rettung „am Schluss nicht auch die Kraft ausgeht“. Bisher haben die Europäer fünf der 17 Euro-Staaten Notkredite zugesagt: Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern.
Deutschland verfehlt beim Schuldenstand die EU-Vorgaben deutlich. Die Schulden der Bundesrepublik wuchsen bis Ende März im Jahresvergleich von 2,06 auf 2,11 Billionen Euro, so das EU-Statistikamt Eurostat. Diese Summe entspricht 81,6 Prozent der deutschen Jahres-Wirtschaftsleistung. Erlaubt ist eigentlich ein Schuldenstand von höchstens 60 Prozent. Im Schnitt betrug der Schuldenstand in der EU 83,4 Prozent.
Dennoch gilt Deutschland als Wachstumsmotor für Europa. Ungeachtet der Krise wächst die Wirtschaftsleistung weiter — anders als in anderen europäischen Ländern. Aus deutscher Sicht profitiert die Wirtschaft von Europa. Schließlich liefern deutsche Unternehmen etwa 60 Prozent ihrer Exporte in EU-Staaten. Diese Verflechtung bedeutet jedoch, dass die Krise in Staaten wie Spanien und Italien bei deutschen Firmen Spuren hinterlässt. Kurz: Geht es Europa schlecht, kann es Deutschland nicht gut gehen.
Allerdings verkaufen deutsche Unternehmen mehr Waren und Dienstleistungen in andere europäische Staaten, als sie von dort importieren. Diese Schieflage im EU-Handel gilt einigen Experten als eine Ursache der Euro-Krise.
Nein. Denn die Experten beurteilten Deutschlands Kreditwürdigkeit immer noch als Spitze. Anleger sehen das ähnlich. Ihnen gilt Deutschland als „sicherer Hafen“— anders Spanien oder Italien. Viele Investoren möchten daher der Bundesrepublik Geld borgen. Die Folge: Der Staat muss derzeit kaum oder keine Kreditzinsen zahlen. Teilweise verdient er sogar am Geldleihen.