Für Deutschland endet der Erste Weltkrieg erst 2010
Bis Oktober kommenden Jahres sollen die letzten Folgeschulden des Versailler Vertrags getilgt sein.
Berlin. Es ist nur ein kleiner Haushaltsposten, der hinter Hunderten Milliarden Euro für Banken und Konjunkturpakete verblasst. Und es ist ein Posten, der kommende Generationen nicht mehr belasten wird. 2010 werden die letzten Folgeschulden des Ersten Weltkriegs getilgt sein - die fehlenden 56 Millionen Euro sollen nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bis zum 3.Oktober kommenden Jahres, dem 20.Jahrestag der Wiedervereinigung, beglichen werden.
Damit enden die Langzeitfolgen des Versailler Vertrags, der in Deutschland als "Schandfrieden" geschmäht wurde, die Weimarer Republik strangulierte und als mitverantwortlich gilt für den Aufstieg Adolf Hitlers.
In den im Pariser Vorort Versailles unterzeichneten Verträgen wurde dem Deutschen Reich die alleinige Kriegsschuld zugeschrieben. Rund 130 Milliarden Goldmark Entschädigung forderten unter anderem Amerikaner, Briten und Franzosen.
Um nach 1918 die Reparationskosten zahlen zu können, gewährten die Alliierten nach der Hyperinflation 1923 Deutschland mehrfach hohe Anleihen. Mit dem frischen Geld sollte auch die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Die Anleihen sind der Grund, warum Deutschland immer noch zahlt.
Die von 1933 bis 1945 herrschenden Nazis waren nicht bereit, den Alliierten ihr Geld zurückzuzahlen. Der Schuldenberg wuchs. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste eine neue Regelung auch für die Schulden aus den Anleihen gefunden werden. Zumal sich von 1945 bis 1952 im darnieder liegenden Deutschland große Zinsrückstände bei den Anleihen anhäuften.
Im Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 wurde vereinbart, dass die Zinsrückstände 1945-1952 - mit Rücksicht auf die Gebietsverluste und die so geminderte Wirtschaftskraft - bis zu einer Wiedervereinigung Deutschlands zurückgestellt werden. Die eigentlichen Schulden für die Anleihen wurden bis 1980 hingegen bereits zurückgezahlt.
Die Gesamtverbindlichkeiten Deutschlands - vor allem die Kosten für den Zweiten Weltkrieg - wurden von den Alliierten im Londoner Schuldenabkommen 1953 mit rund 14 Milliarden D-Mark festgestellt und bis 1988 bei Briten, Franzosen und Amerikanern getilgt.
"Es bestehen keine offenen, verbrieften Forderungen aus dem Zweiten Weltkrieg gegenüber der Bundesrepublik Deutschland mehr", betont Jörg Müller von der Deutschen Finanzagentur, die von Frankfurt aus die Schulden verwaltet. Die letzten Reparationsforderungen der Sowjetunion an die DDR wurden 1990 im "2+4-Vertrag" abschließend geregelt.
Übrig blieben nur die Zinsrückstände von 1945 bis 1952, die wiederum eine Altlast von Versailles sind: Mit dem 3. Oktober 1990 kam nicht nur die Einheit, sondern für die Finanzbeamten gemäß dem Londoner Schuldenabkommen auch die Verpflichtung, diese Rückstände zurückzuzahlen.
Von 1990 bis 2010 werden sich diese voraussichtlich auf 68 Millionen Euro für Zinsen und 125Millionen Euro für Tilgungen belaufen. Das Geld geht in Tranchen unter anderem an Gläubiger, die Schuldverschreibungen besitzen.