George W. Bush und seine „E-Mail-Affäre“

Angeblich ließ die frühere Regierung 22 Millionen Dokumente verschwinden.

Washington. Ex-Präsident Richard Nixon scheiterte an dem Skandal um das illegale Abhören der politischen Opposition im traditionsreichen Watergate Hotel. Nun hat Nixons Parteifreund George W. Bush ein knappes Jahr nach seinem Ausscheiden aus dem Amt mit seinem eigenen Skandal zu kämpfen, der in Washington bereits "E-Mail-Gate" heißt.

Wie aus einem Rechtsstreit mit zwei führenden Bürgerrechtsorganisationen hervorgeht, hatte das Weiße Haus unter Bush offenbar Millionen von E-Mails verschwinden lassen, zu deren Aufbewahrung die Regierung gesetzlich verpflichtet war. Das politische Vermächtnis des Ex-Präsidenten gerät damit ein weiteres Mal ins Zwielicht.

Denn unter dem elektronischen Schriftverkehr befanden sich offenbar hochsensible Korrespondenzen im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und dem Rachefeldzug gegen Joseph Wilson, den ehemaligen US-Botschafter in Bagdad, der ein ausgewiesener Kriegsgegner war.

Nachdem es Computertechnikern nun gelungen ist, mehr als 22 Millionen E-Mails aus einem Zeitraum von drei Monaten aufzuspüren, stellen sich Politiker in Washington die Frage, was Bush, sein Vizepräsident Dick Cheney sowie andere Berater aus dem inneren Kreis des Präsidenten zu verbergen hatten. Obwohl die Mails zunächst von Mitarbeitern des Nationalarchivs in Washington ausgewertet werden müssen und frühestens in fünf Jahren veröffentlicht werden dürfen, sprechen die zeitlichen Zusammenhänge Bände.

Im Oktober 2003 schaltete nämlich die Regierung Experten des Softwarekonzerns Microsoft ein, um bei der Suche nach verlorengeglaubten E-Mails zu helfen. Zur selben Zeit hatte das Justizministerium Ermittlungen im Zusammenhang mit der Enttarnung der früheren CIA-Agentin Valerie Plame aufgenommen (siehe Kasten).

"Die Bush-Regierung hat eindeutig gelogen", ist Melanie Sloan, Direktorin von "Bürger für Verantwortung und Ethik in Washington", eine der beiden Klägerorganisationen, überzeugt.

Dass genau zu jenem Zeitpunkt, zu dem die hochpeinliche Plame-Affäre die Schlagzeilen beherrschte, das Weiße Haus behauptet, wichtige Korrespondenzen verloren zu haben, die zu gerichtlichen Vorladungen für leitende Regierungsmitarbeiter hätten führen können, sei kein Zufall. Zweifellos habe die Regierung absichtlich auf die Installierung eines gesetzlich vorgeschriebenen elektronischen Archivierungssystems verzichtet.