Guttenberg: So geht es nicht

Wirtschaftsministerium liefert SPD ungewollte Steilvorlage.

Berlin. Als Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das Papier las, hat er es komplett verworfen. "So geht es nicht", entfuhr es dem Wirtschaftsminister. Für seine Referatsleiter hieß das: Sie sollten ihr "industriepolitisches Konzept" noch einmal überarbeiten. Das ist nicht ungewöhnlich. Dumm ist bloß, dass die Stoffsammlung jetzt bekannt wurde.

Seither echot die SPD "so geht es nicht" und freut sich insgeheim über die Steilvorlage im mauen Wahlkampf. Denn das Papier enthält Vorschläge, die Gewerkschafter, Linke, Grüne und Sozialdemokraten auf die Palme bringen, insbesondere zum Thema Arbeitsmarkt. Sie lesen zum Beispiel ungern, dass Mindestlöhne "die notwendige Flexibilität" einschränken, die Arbeit verteuern und so die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen "gefährden".

Warum das Papier so viel Aufsehen erregt, liegt nahe: Es ist derzeit Wahlkampf - und Sommerpause. In Berlin ist wenig los, umso mehr erscheint alles wie unter einem Brennglas. Es wäre freilich nicht das erste Papier, das als Stoffsammlung lanciert wird, um sich später als Blaupause zu entpuppen. Auch die Agenda 2010 hat mit einem Konzept aus dem Kanzleramt angefangen.

Das Papier mutet nicht willkürlich an. Es beschreibt Aufgaben, die nach der Wahl tatsächlich anstehen, etwa die große Reform der Pflegeversicherung. Vor Monaten hatte der Minister das Konzept in Auftrag gegeben. Der erste Entwurf vom 3. Juli, den er dann Ende des Monats verwarf, ist 63 Seiten lang.

Es enthält nach Angaben eines Ministeriumssprechers "etwa 300 verschiedene Vorschläge". Zu Guttenberg wolle ein Konzept "so schnell wie möglich" vorlegen - sobald das Ministerium es in Form und Inhalt überarbeitet habe. So will der CSU-Mann keine Vorschläge zur Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne machen, sondern sich auf Industriepolitik konzentrieren.

Der Mann rudert zurück. Ganz offenkundig steht er unter verschärfter Beobachtung des Kanzleramts. Angela Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm betonte am Montag, dass der "obsoleten Stoffsammlung" kein Auftrag der Kanzlerin zugrunde lag. Da spürt man eine Distanzierung, die plausibel ist. Schließlich will die Kanzlerin der SPD keine Angriffsfläche bieten.

Die SPD wittert die Gunst der Stunde. Zu Guttenbergs Papier wird als Gegenentwurf zum "Deutschlandplan" der SPD verstanden. Und fast jeder führende Sozialdemokrat ritt Attacken gegen den CSU-Mann. Finanzminister Peer Steinbrück beklagte, zu Guttenberg wolle den Gemeinden die Gewerbesteuereinnahmen streichen. Was Herr zu Guttenberg anstrebe, "lässt mich grausen", tönt SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

Vor vier Jahren markierten die Angriffe auf den Steuerexperten Paul Kirchhof die Wende im schon damals verzweifelten Wahlkampf der SPD. Auch jetzt versucht sie, die Union als Partei der sozialen Kälte in die Ecke zu stellen. "Herr Guttenberg", so Arbeitsminister Olaf Scholz, "hat die Katze aus dem Sack gelassen."