Das Smartphone als Lernhilfe Handys für besseren Unterricht in Schulen

Digitale Medien im Unterricht - das ist an deutschen Schulen immer noch nicht selbstverständlich.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Dormagen. Der Lehrer kommt ins Klassenzimmer und fordert die Schüler auf, ihre Smartphones für den Unterricht bereitzuhalten. Nicht ihre Bücher und Hefte. Eine Szene, die so eigentlich nicht sein kann. Sind doch Handys der Ablenkung wegen an Schulen verboten. In der Dormagener Bertha-von-Suttner-Gesamtschule aber sind sie willkommen — zumindest im Unterricht von Marc Albrecht-Hermanns.

Foto: Judith Michaelis

Die Kultusministerkonferenz hat Ende 2016 eine Digitalstrategie beschlossen, Initiativen wie der Medienpass NRW oder das Netzwerk Digitale Bildung versuchen Schule und Smartphones einander näher zu bringen. In der Praxis aber entscheiden die Schulen selbst, ob sie das Handy aus der Verbotsecke herausholen. Laut deutschlandweiter JIM (Jugend-Information-Medien)-Studie von 2016 verfügen zwar 94 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen über ein Handy und dürfen dieses auch in die Schule mitbringen, zwei Fünftel dürfen es dort aber nicht nutzen, ein Drittel nur in den Pausen und nur 22 Prozent im Unterricht. Auch die Schulordnung in Dormagen untersagte bis vor kurzem die Nutzung. Der Geschichts- und Deutschlehrer Albrecht-Hermanns hält nichts von Verboten: „Das ist nur schwer einzuschränken. Schließlich geht es auch um die Freiheit der Lehre.“

Ein ganz normales Klassenzimmer, das erst auf den zweiten Blick Besonderheiten offenbart. Auf Papier ausgedruckte QR-Codes verdecken die Tafel, auf eine Leinwand wirft ein Beamer per Tablet gelieferte Informationen und Aufgaben zum Thema der Schulstunde, die der Frage nachgeht: „Soll die Hindenburgstraße in Dormagen umbenannt werden?“

„Sind alle drin?“, fragt Marc Albrecht-Hermanns und erntet stummes Nicken. Das W-Lan hält einigermaßen, die Schüler des Leistungskurses Geschichte der 12. Klasse haben mit ihren Handys die QR-Codes gescannt und damit die vorbereitete Internetseite aufgerufen. Nun können alle digital miteinander kommunizieren — für alle an der Leinwand verfolgbar, etwa wenn sie darüber abstimmen, ob sie für oder gegen eine Umbenennung der Straße sind. Vor allem aber arbeiten sich die Schüler ins Thema ein — rufen dafür vom Lehrer vorbereitete Textlinks und Videos ab. Ganz still und konzentriert sind die 18-Jährigen bei der Sache. Albrecht-Hermann freut sich, über ihre Motivation: „Wenn ich jetzt hier 20 Seiten Papier hingelegt hätte, hätten sie das als ätzend empfunden.“

2010 hat der heute 47-Jährige erstmals Smartphones an der Schule eingesetzt. „Die digitalen Medien erlauben, den Unterricht zu öffnen. In Deutsch lernen die Schüler zwar nicht automatisch besser zu schreiben, aber sie erhalten Chancen und Möglichkeiten, die sie sonst nicht hätten. Die Schüler leben nunmal in einer Welt, die digital geprägt ist“ , schwärmt er und nennt als Beispiele die Erklärvideos, die man unlängst gedreht habe, oder die Übungs-Apps, die die Schüler erstellt haben. Albrecht-Hermanns, der mittlerweile neben seiner Lehrertätigkeit auch Medienberater für den Rhein-Kreis Neuss ist, ist sicher, dass sich nicht nur technikaffine Fächer für seine Art des Unterrichts eignen: „Eine Kollegin, die Kunst unterrichtet, sah, wie wir mit der Greenscreen die Schüler in anderen Umgebungen filmten. Sie war begeistert und wollte das für Kunstwerke übernehmen.“

Am Anfang waren manche Eltern sicherlich noch skeptisch, auch verfügten noch längst nicht alle Schüler über eigene Handys. Das ist heute kein Thema mehr. Schwerer wiegen die (noch) fehlende Glasfaseranbindung, die ein schnelles und stabiles W-Lan erlaubt, sowie perspektivisch die massive Ausstattung der Schule mit Tablets, weil Handys zwar ein „gutes, schnelles und eben verfügbares Arbeitsmittel sind“, für das Schneiden von Filmen oder bei längeren Texten aber an Grenzen kommen. Finanzierungshilfe könnte hier das 2016 beschlossene Landes-Förderprogramm leisten, das sich den Aufbau einer modernen Schulinfrastruktur bis 2020 auf die Fahnen geschrieben hat.

Zurück zum Geschichtsunterricht. Die Schüler haben sich eingelesen und dann in kleinen Gruppen ihre Ergebnisse zusammengetragen. Am Ende sollen sie noch mal über die Umbenennung der Straße abstimmen, indem sie sich an eine bestimmte Stelle im Raum stellen und hier ihre Position mündlich begründen. Es entsteht ein reger verbaler Austausch, ganz analog.

Wie finden die Schüler den digitalen Unterricht? „Gut, kreativ und sehr anschaulich“, meint Jennifer. Und Darvin betont die Bandbreite der nutzbaren Medien, die ein einzelnes Buch nicht bieten könne. Ina freut sich, dass der Unterricht „ziemlich abwechslungsreich und auch später noch gut vor Augen ist“. Für Julian ist wichtig, dass jeder sein eigenes Arbeitstempo haben kann „und nicht der Druck besteht, schnell fertig zu werden“. Alle schätzen den Unterschied zum traditionellen Unterricht, und sie wünschen sich mehr davon.