Abschied eines Streitbaren
Lange hat er auf Nachricht aus dem Vatikan gewartet, nun steht fest: Der Kölner Erzbischof Meisner darf in Rente gehen.
Köln. Die Vorbereitungen sind längst getroffen. Doch erst seit Freitag ist klar: Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (80) darf in den Ruhestand gehen — nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze des mit mehr als zwei Millionen Katholiken größten deutschen Bistums. Richtig warm geworden sind vor allem die Bürger der liberalen Großstadt Köln nie mit ihrem Oberhirten. Der jedoch hat das Rheinland liebgewonnen und will bleiben.
Ausgerechnet am Karnevalsfreitag kam die Entscheidung aus Rom. Meisner war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zum Objekt des Spotts in der jecken Hochburg geworden — sei es in der alternativen Stunksitzung oder mit Mottowagen im Rosenmontagszug. Denn der Erzbischof eckte an.
Der gebürtige Breslauer ist der profilierteste Konservative unter den katholischen Bischöfen — und auch der umstrittenste. 1989 boxte ihn Papst Johannes Paul II. gegen den Widerstand vieler Bürger und Theologen als Erzbischof durch. Die warnten, Meisner passe nicht zum liberalen „rheinischen Katholizismus“. Zu Recht: Der Kirchenmann, der zuvor Bischof von Berlin war, sorgte mit provokanten Äußerungen immer wieder für Aufsehen.
Der streitbare Erzbischof stand zu seiner Überzeugung und ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg. Er machte Front gegen Reformen in der Kirche und verteidigte die katholische Lehre gegen Kritik. Das derzeit diskutierte Zugehen der Kirche auf wiederverheiratete Geschiedene, die von den Sakramenten ausgenommen sind, lehnt er strikt ab. In der Debatte um die Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch empfahl er der Christlich Demokratischen Union (CDU) einst sogar, das „C“ aus dem Namen zu streichen.
Legendär auch seine Kritik am abstrakt gestalteten Fenster des Künstlers Gerhard Richter für den Kölner Dom — es passe nicht zum Kirchenhaus, weil es keinen Bezug zum Glauben habe.
Erst jüngst sorgte eine Äußerung von ihm für Unmut: Vor Vertretern einer konservativen katholischen Bewegung, die für ihren Kinderreichtum bekannt ist, sagte er: „Ich sage immer, eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“ Meisner bedauerte, dass seine Äußerung Irritationen ausgelöst habe. „Es war keineswegs meine Absicht, Menschen anderen Glaubens damit zu nahe zu treten. Meine Wortwahl war vielleicht unglücklich.“
Der Konservative war für viele ein rotes Tuch. Aber er konnte auch überraschen. Im Januar 2013 sorgte ein Vorfall an katholischen Kliniken in Köln für Aufsehen. Dort war eine vergewaltigte Frau abgewiesen worden, weil man die „Pille danach“ nicht verschreiben durfte. Meisner entschuldigte sich bei dem Opfer, sprach sich zunächst gegen die „Pille danach“ aus, revidierte dann aber seine Position.
Wer erwartet hat, dass der umstrittene Erzbischof mit der Rente Köln verlässt, sieht sich getäuscht: Er zieht in eine Privatwohnung, von der er den Dom sieht, und will als Seelsorger arbeiten. Zur Begründung sagte er: „Ich habe in meinem Leben nirgendwo so lange gewohnt wie in Köln. Und ich fühle mich hier wohl.“