Operation Nothilfe für AKK Warum es zum abrupten Strategiewechsel gekommen ist

Meinung | Berlin · Sicher wird Annegret Kramp-Karrenbauer der Öffentlichkeit noch wohlfeile Erklärungen auftischen. Irgendetwas mit Verantwortung in schwerer Zeit oder so. Nur die Wahrheit wird man nicht hören: Dass ihr Wechsel ins Verteidigungsministerium eine Notoperation zur Rettung der eigenen Kanzlerkandidatur ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (l) und Annegret Kramp-Karrenbauer

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der überraschende Weggang Ursula von der Leyens hat diese Operation möglich gemacht, Kramp-Karrenbauers schneller Ansehensverlust sie erzwungen. Der Hauptgrund war, Jens Spahn, den Mitbewerber, zu verhindern. Er wäre dran gewesen, er hätte sich als Chef der Bundeswehr nach seiner beachtlichen Leistung im Gesundheitsministerium jene internationale Reputation holen können, die ihm noch fehlt. In zweieinhalb Jahren wäre das gegenüber der schwächelnden AKK dann ein beachtlicher Startvorteil im Rennen um das Kanzleramt gewesen. Das wollte Angela Merkel verhindern. Die andere Lösung, jemanden aus der zweiten Reihe als Nachfolger von der Leyens zu bestimmen, hätte zu sehr nach Provisorium und frühzeitiger Beendigung der Legislaturperiode ausgesehen.

Es ist eine abrupte Strategieänderung vor allem von Kramp-Karrenbauer, die vor einem halben Jahr den Vorsitz der CDU übernommen hatte. Sie war mit dem Versprechen angetreten, sich um die Profilbildung der Partei jenseits der Großen Koalition zu kümmern. Und wollte sich von der amtierenden Kanzlerin emanzipieren. Nicht ins Kabinett, das war ihre glasklare Aussage bis zuletzt. Nun wird sie mir nichts, dir nichts Teil des Regierungsapparats und unterwirft sich Angela Merkels Richtlinienkompetenz. AKK ist seit gestern eine Nachfolgekandidatin, die die Protektion der Vorgängerin gebraucht hat, um ihre Chancen zu wahren. Ob ihr diese Entscheidung in der CDU wirklich hilft, wenn es hart auf hart kommen sollte, etwa bei einer Urabstimmung gegen Friedrich Merz oder Jens Spahn, ist doch sehr die Frage. Denn in diesem Strategiewechsel liegt auch das Eingeständnis eines Scheiterns. Das zweite Risiko: Das Wehrressort mit all seinen Problemen und Fallstricken will erst einmal bewältigt sein. Es sind dort schon welche gescheitert, die nicht auch noch nebenbei eine Volkspartei führen mussten.

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

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Angela Merkel ist in dem Machtspiel um ihre Nachfolge nun auch offen nicht mehr neutral. Sie verhält sich wie ein Schiedsrichter, der der schwächeren Mannschaft in der Schlussphase einen zweifelhaften Elfmeter gewährt und bei der stärkeren die Einwechselung neuer Spieler für verletzt ausgeschiedene verhindert. Das innerparteiliche Misstrauen gegen beide Führungsfrauen wird jetzt noch wachsen.

Die aktuelle Große Koalition besteht seit eineinhalb Jahren. Fast im ganzen ersten Jahr hat eine verunsicherte CSU die Stimmung versaut. Danach war es eine desolate SPD. Im Hintergrund schwelt der Machtkampf der CDU. Ringsherum nimmt die Zahl der internationalen Krisen zu; am Horizont ziehen wirtschaftliche Schwierigkeiten auf. Und die deutsche Regierung ist in keiner guten Verfassung.