Analyse: Der Atomausstieg spaltet die Union
Die Kehrtwende bei der Energie stößt weiter auf Skepsis in Teilen von CDU und CSU.
Berlin. Die Geschichte hat Josef Göppel zwar recht gegeben. Aber er fühlt sich nicht als Sieger. Als im japanischen Fukushima die Reaktorgebäude explodierten, hatte der CSU-Abgeordnete gemahnt: „Wenn die Union als Volkspartei mehrheitsfähig bleiben will, muss sie ihren Kurs in der Atomfrage überprüfen.“ Dass man aber gleich acht Atomkraftwerke stilllegen und bis 2022 ganz aussteigen wird, hätte der Unions-Obmann im Umweltausschuss damals nicht gedacht.
So gehörte Göppel diesmal zur großen Mehrheit, die am Donnerstagnachmittag im Bundestag mit Ja stimmte. Einstige Befürworter möglichst langer Laufzeiten stehen nun ziemlich einsam da, fünf Unions-Abgeordnete lehnten den Ausstiegsplan ab.
Für Fraktionskollegen Michael Fuchs spielte sich eine Art energiepolitisches Harakiri ab. Der CDU-Mann und Vizechef der Fraktion musste sich nach seinem Einsatz für möglichst lange Laufzeiten vom Atom-Gegner Jochen Stay als „Atom-Fuchs“ beschimpfen lassen. Nun musste Fuchs sehen, dass der einst so mächtige Wirtschaftsflügel Abstimmungsniederlagen gegen die neue Öko-Front in der Union mit Leuten wie Göppel hinnehmen muss, etwa wenn es um härtere Einschnitte für die Solarförderung geht.
Fuchs stimmte zwar nach einem Abwägungsprozess für den Ausstieg, sieht das Tempo der Energiewende aber skeptisch. Immerhin wurden Entlastungen für die Industrie durchgesetzt, was für ihn eine Grundbedingung war.
Fuchs argumentiert weniger mit Göppels Kategorien von Restrisiko, Schöpfungsverantwortung und dem riesigen Potenzial einer grüneren Wirtschaft. Es geht ihm vor allem darum, keine Arbeitsplätze zu gefährden. Er erzählt von einem befreundeten Bäcker mit 38 Filialen, der jeden Tag 100 000 Brötchen produziert. Schon geringfügig höhere Strompreise für solche energieintensiven Betriebe seien eine große Bedrohung.
Für Fuchs ist der rasche Ausstieg zu wenig in die Zukunft gedacht und der Einstieg in Erneuerbare Energien zu unklar. Er hat große Zweifel, ob Energie gerade für die Industrie bezahlbar bleibt. Er akzeptiert als Demokrat zwar die Mehrheit im Parlament für den Wandel, betont aber: „Ich habe starke Bauchschmerzen bei dem Weg, der eingeschlagen wird.“