Analyse: Wo die Geheimdienste große Gefahren sehen
Der Chef des Verfassungsschutzes warnt vor Salafisten. Doch die Behörde stößt an Grenzen.
Mönchengladbach. „Wofür braucht man eigentlich Kraftwerke? Der Strom kommt doch aus der Steckdose.“ Hans-Georg Maaßen fühlt sich an diese Sätze erinnert, wenn er heute die Diskussionen um die deutschen Geheimdienste verfolgt. „Wofür braucht man Sicherheitsbehörden? Deutschland ist doch sicher.“ Diese Meinung, so sagt der neue Präsident des Bundesverfassungsschutzes, höre er oft im Berliner Politikbetrieb.
Seit August 2012 ist der gebürtige Mönchengladbacher im Amt. Keine leichte Aufgabe, wo die Sicherheitsbehörden wegen ihrer Ermittlungspannen bei der Aufklärung der Morde der Terrorzelle NSU in der Kritik stehen. Auf dem Sicherheitspolitischen Forum des Reservistenverbandes in Mönchengladbach erklärte Maaßen jedoch, warum der Verfassungsschutz unentbehrlich ist.
Ein Grundproblem seiner Behörde: „Wir können unsere Erfolge nicht immer öffentlich machen.“ Viele Anschläge konnten seit 2000 vereitelt werden — darunter ein Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt (2000), ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin und Lokale in Düsseldorf (2002) sowie auf US-Ziele in Deutschland durch die „Sauerland-Gruppe“ (2007).
Maaßen spricht von einer „multiplen Gefahrensituation“, die nicht mit dem 11. September 2011 vergleichbar sei. „Terroristen kommen nicht mehr nur aus Afghanistan und Pakistan, sondern auch aus Somalia, Mali, Nordafrika, Syrien und dem Irak.“ Allein 2012 hätten sich 62 zumeist junge Deutsche in Ägypten radikalisieren lassen, um in den Heiligen Krieg zu ziehen.
Die größte Bedrohung sieht Maaßen im islamistischen Terror. Ende 2012 erfasste seine Behörde 4500 Salafisten — in NRW vor allem aktiv in Solingen und Mönchengladbach. 42 000 Personen mit islamistischem Potenzial sind im Visier. 130 davon gelten als hochgefährlich.
Wachsamkeit verlange auch der Rechtsextremismus. Mit 22 400 Personen sei die Szene zwar zwei Drittel kleiner als 1993. „Jeder zweite gilt aber als sehr gewaltorientiert.“ Linksextremisten gebe es 32 000. 7500 davon seien gewaltbereit.
Bei der Überwachung stoßen die Geheimdienste an Grenzen. Vieles spielt sich nur noch im Internet ab. „Die normale Telekommunikation hat ausgedient.“ Ohne V-Leute komme man in geheime Zirkel nicht hinein.
Maaßen forderte ein Umdenken der Gesellschaft. „Wir sind nicht die Behörde der Deppen und Schläfer. Wir sind auch nicht — wie es gerade passt — auf dem rechten oder linken Auge blind.“