Finanztransaktionssteuer wird zum Zankapfel der Koalition
Auf EU-Ebene wird das Projekt vorangetrieben, die Kanzlerin sieht darin ein wichtiges Mittel — doch die FDP schießt quer.
Berlin. Große Unruhe im Regierungslager in Berlin: Drei Tage nachdem die EU-Kommission einen Vorschlag für die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer vorgelegt hat, meldeten am Wochenende gleiche mehrere führende Politiker des Koalitionspartners FDP, aber auch Vertreter des Unions-Wirtschaftsflügels massive Vorbehalte an. Scheitert das Vorhaben nun ausgerechnet an Berlin?
Die Beteiligung der Finanzmärkte an den Kosten der Krise ist seit Jahren eine der Hauptforderungen der Opposition. Und sie ist populär. Vor allem eine Steuer auf den Handel mit Finanzmarktprodukten. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) hätten diese offene Flanke gern früher geschlossen, doch hatte die FDP eine gemeinsame Haltung der Koalition lange verhindert.
Erst im vergangenen Sommer lenkten die Liberalen ein. Es wurde in der Resolution sogar exakt festgelegt, wie hoch die Steuer sein sollte: 0,1 Prozent auf den Handel mit Anleihen und Aktien, 0,01 Prozent beim Derivate-Handel, weil dieser viel größere Summen bewegt.
Glaubt man Bundeskanzlerin Angela Merkel, so hält der am Donnerstag präsentierte Vorschlag der EU-Kommission, dem inzwischen elf Staaten folgen wollen, diese Vorgaben exakt ein. Merkel listete das EU-Papier in ihrer wöchentlichen Videobotschaft am Samstag als einen ihrer wichtigsten Erfolge bei der Finanzmarktregulierung auf.
Doch praktisch zeitgleich verbreiteten die beiden FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing und Hermann Otto Solms: „Der Vorschlag entspricht nicht den Vorgaben“. Beide wiederholten die grundsätzlichen Einwände, die die FDP immer schon hatte: Es drohe eine Belastung von Kleinsparern, der Finanzplatz Frankfurt werde benachteiligt und die mittelständische Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen.
Dass die Kritik der beiden von oben gedeckt war, machten am Sonntag Äußerungen des FDP-Generalsekretärs Patrick Döring deutlich. Er sah ebenfalls die Kriterien der Bundestagsentschließung nicht eingehalten und verlangte Nachbesserungen an dem Vorhaben.
Der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsunion, Hans Michelbach, kritisierte schließlich auch noch die Höhe der angepeilten Steuersätze. Dass Aktiengeschäfte zehn Mal höher besteuert werden sollten als Derivate, sei „höchst fragwürdig“. Der Streit ist ein gefundenes Fressen für die Opposition. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier befand, Merkel fehle „Kraft und Wille, die Geschlossenheit ihrer Regierung zu gewährleisten“. Er warnte vor einem „Wortbruch“.
In der Koalition weiß man um die Brisanz der Angelegenheit, denn der Bundestag muss der Finanztransaktionssteuer zustimmen, damit die Verabredung der elf EU-Staaten gilt. CDU-Finanzexperte Norbert Barthle sagte unserer Zeitung: „Ich erinnere die FDP daran, dass sie dem Vorgehen zugestimmt hat. Dieses Verhalten jetzt ist nicht sonderlich hilfreich.“
Die Steuer soll europaweit 35 Milliarden Euro einbringen. Auf deutscher Seite sind zwei Milliarden Euro im nächsten Bundeshaushalt schon eingeplant. Das steht nun alles in Frage.