Seehofers zentrales Projekt Ankerzentren in Bayern gestartet
München/Berlin (dpa) - Begleitet von heftiger Kritik haben in Bayern die bundesweit ersten sogenannten Ankerzentren für Asylbewerber die Arbeit aufgenommen. Die Einrichtungen sollen Asylverfahren und damit auch Abschiebung oder Rückführung derjenigen Migranten beschleunigen, die kein Bleiberecht haben.
„Dadurch werden schnelle und sichere Asylverfahren ermöglicht“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer zum Start der Ankerzentren. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) erklärte, dies sei auch aus Gründen der Humanität der beste Weg: Es sei für jeden Betroffenen besser, wenn er schneller wisse, ob er eine Bleibeperspektive habe oder nicht.
Die Einrichtungen, in jedem der sieben Regierungsbezirke eine, wurden allerdings nicht komplett neu errichtet. Vielmehr wurden bestehende Transitzentren oder Erstaufnahmeeinrichtungen entsprechend umgewidmet und umgewandelt. Die Standorte sind Donauwörth, Zirndorf, Regensburg, Deggendorf, Schweinfurt, Bamberg und Manching. Etwa 1000 bis 1500 Flüchtlinge sollen dort jeweils untergebracht sein - wobei einige der Standorte Unterkunfts-Dependancen in anderen Städten haben.
Die Ankerzentren sind ein Teil von Seehofers „Masterplan Migration“. In ihnen vertreten sein sollen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter, Justiz- und Ausländerbehörden. Kurze Wege sollen die Verfahren beschleunigen. Auch die Verwaltungsgerichte werden mit einer Rechtsantragstelle vertreten sein, sofern sie nicht ohnehin ihren Sitz vor Ort haben. Das Wort „Anker“ steht dabei aber nicht für den rettenden Hafen, sondern für An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung) und R(ückführung).
Die Ankerzentren stehen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, die Umsetzung liegt bei den Bundesländern. Während die meisten anderen Länder vorerst nicht mitmachen wollen, setzt Bayern den Plan um. Die CSU mit Seehofer als Parteichef und Söder als Spitzenkandidat will damit vor der Bayern-Wahl am 14. Oktober auch Handlungsfähigkeit demonstrieren.
Flüchtlingshelfer und die Opposition warnen vor einer Ghettoisierung und kritisieren die Zentren als „Abschiebelager“. „Es ist eine Schande, dass die CSU-geführte Staatsregierung in dieser menschenfeindlichen Weise Wahlkampf auf dem Rücken von Flüchtlingen macht“, sagte etwa Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
Der Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, mahnte: „Kinder gehören nicht in Ankerzentren.“ 45 Prozent der Geflüchteten seien 2017 Kinder und Jugendliche gewesen, und diese hätten wie alle Kinder ein Recht auf Schutz vor Gewalt, auf gesundheitliche Versorgung und Teilhabe sowie Zugang zur Bildung.
„In den sogenannten Ankerzentren werden diese Rechte, zu deren Umsetzung sich Deutschland gemäß der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet hat, nicht gewährleistet“, kritisierte Rörig. Dabei bräuchten geflüchtete Kinder besonderen Schutz und Hilfe, um Erlebtes zu verarbeiten, Kind sein zu dürfen und sich gut zu entwickeln. Rörig forderte „grundsätzlich eine dezentrale Unterbringung von Familien mit Kindern in geschützten Unterkünften“.
Außer Bayern ist laut Bundesinnenministerium Sachsen bereit, sich mit dem Modellstandort Dresden zu beteiligen. Das Saarland habe Interesse bekundet, da die Voraussetzungen in der Erstaufnahmeeinrichtung Lebach gegeben wären. Das werde aber derzeit noch geprüft. Darüber hinaus würden Gespräche geführt, die allerdings noch nicht zu konkreten Standorten geführt hätten, hieß es. Seehofer aber erklärte: „Ich bin zuversichtlich, dass andere Länder in Kürze folgen und die Anker-Einrichtungen sich als Erfolgsmodell erweisen werden.“