Antifolterkomitee rügt chirurgische Kastration von Sex-Tätern
Straßburg (dpa) - Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) hat die freiwillige chirurgische Kastration von Sex-Straftätern in Deutschland gerügt. Dieser Eingriff ist sehr selten. Das Komitee wurde bei seinem Besuch in deutschen Haftanstalten 2010 über zwei Fälle informiert.
Das CPT fordert Deutschland auf, diese Methode als Mittel der Behandlung von Straftätern unverzüglich einzustellen. „Die chirurgische Kastration ist ein verstümmelnder, irreversibler Eingriff“, der nicht als medizinisch notwendig angesehen werden könne, heißt es in dem Bericht, der am Mittwoch in Straßburg veröffentlicht wird und der Nachrichtenagentur dpa vorab vorlag.
Alternativ können sich Triebtäter mit Medikamenten behandeln lassen, um die Bildung von Testosteron zu verringern. Je weniger Testosteron, desto geringer der Sexualtrieb. Nach Erkenntnissen des Komitees wurden in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren weniger als fünf Sexualstraftäter pro Jahr operativ kastriert. Die zwei Eingriffe, die dem Komitee 2010 gemeldet wurden, wurden in Berlin und Rheine (Nordrhein-Westfalen) vorgenommen.
Deutschland gehört mit Tschechien zu den wenigen Ländern in Europa, in denen die chirurgische Kastration von Menschen erlaubt ist, bei denen wegen ihres abnormen Geschlechtstriebes die Gefahr schwerer Straftaten wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauchs von Kindern besteht.
Nach Auffassung des CPT könnte die chirurgische Kastration inhaftierter Sexualstraftäter leicht als „erniedrigende Behandlung eingestuft werden“. Die Bundesregierung zeigte sich allerdings nicht überzeugt. Aus fachlicher Sicht sei „ein generelles Verbot der chirurgischen Kastration auch unter Berücksichtigung der vom Ausschuss vorgetragenen medizinisch-wissenschaftlichen Argumente nicht zwingend erforderlich“, hieß es in der Antwort Berlins auf den Bericht.
Die freiwillige Kastration sei keine Bestrafung von Sexualstraftätern. „Sie ermöglicht vielmehr die Heilung oder zumindest Linderung von schwerwiegenden Krankheiten, seelischen Störungen oder Leiden, die mit dem abnormen Geschlechtstrieb des Betroffenen zusammenhängen“, so die Bundesregierung. Grundlage ist das Bundesgesetz über die freiwillige Kastration aus dem Jahr 1969.
Die CPT-Berichte sind vertraulich, die Bundesregierung hat aber die Veröffentlichung genehmigt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte sieht in der Empfehlung des CPT zur chirurgischen Kastration den menschenrechtlichen Grundsatz bekräftigt, „dass irreversible medizinische Eingriffe nur mit der freien und informierten Zustimmung der betroffenen Person selbst zulässig sind“.
Sechs CPT-Experten haben deutsche Haftanstalten vom 25. November bis 7. Dezember 2010 routinemäßig besucht, so wie sie es auch bei den übrigen 46 Europaratsländern tun.