August Oetker: „Mein Vater war Nationalsozialist“

Der Sohn des verstorbenen Firmenpatriarchen hat die Geschichte aufarbeiten lassen.

Bielefeld. Viele deutsche Konzerne haben ihre unrühmliche Geschichte im Nationalsozialismus bereits aufarbeiten lassen. Ein neues Puzzlestück liefert jetzt die Familie Oetker. Knapp 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ist Oetker damit zwar spät dran, doch Firmenpatriarch Rudolf-August Oetker (1916-2007) hatte bis zu seinem Tod gebremst und ein Veto eingelegt.

Sein Sohn August öffnete nach dem Tod des Vaters das Firmen-Archiv, und nun fasst der 69-Jährige beherzt zusammen, was die Historiker unter Leitung des renommierten Direktors des Instituts für Zeitgeschichte in München, Professor Andreas Wirsching, über seinen Vater herausgefunden haben: „Mein Vater war Nationalsozialist.“ Heute erscheint das Buch „Dr. Oetker und der Nationalsozialismus“.

Die Autoren zeichnen das Bild einer Gesellschaft, in der viele Menschen und Unternehmen sich mit Blick auf ihre Geschäftsinteressen geschmeidig auf die neuen Machthaber einstellten. So auch Oetker-Chef Richard Kaselowsky (1888-1944). Der hatte Ida (1891-1944), die Witwe des 1916 im Ersten Weltkrieg gefallenen Rudolf Oetker geheiratet, und lenkte quasi als Treuhänder das Unternehmen durch schwierige Jahre. Und er bereitete seinen Stiefsohn Rudolf-August darauf vor, an die Spitze des Unternehmens zu rücken. Das Ehepaar starb 1944 bei einem alliierten Bombenangriff auf Bielefeld.

Rudolf-August Oetker war seit 1941 im Unternehmen. Als sein Stiefvater Kaselowsky und seine Mutter 1944 ums Leben kamen, übernahm er die Führung der Oetker-Gruppe. Da war er gerade 28 Jahre alt. In den Jahren zuvor hatte Rudolf-August Oetker wenig Berührungsängste mit den Machthabern. Er wusste von Konzentrationslagern, sei aber davon ausgegangen, dass dort „Verbrecher, Schwule, Zigeuner, Zeugen Jehovas und Freimaurer“ in Schutzhaft säßen, sagte er Jahrzehnte später.

1940 wurde Rudolf-August Oetker in die NSDAP aufgenommen. Im Juli 1941 ging er freiwillig zur Waffen-SS, die Kampftruppen und Wachmannschaften in den Konzentrationslagern stellte. Nach mehreren Lehrgängen wurde Oetker am 27. Oktober 1944 SS-Untersturmführer der Reserve. Im Entnazifizierungsverfahren und in seinen Erinnerungen lieferte er mehrere Versionen, etwa, dass er zur SS „abkommandiert“ worden und der Unteroffiziersrang ihm hinterhergeworfen worden sei.

Der Historiker Wirsching sieht in den Forschungsergebnissen weder einen Persilschein noch eine unerwartet tiefe Verstrickung Oetkers in die Verbrechen des Nationalsozialismus. Oetker sei kein militanter Ideologieträger gewesen. „Er hat sich aber freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, und er hat vom System profitiert“, sagt Wirsching.