Beckstein zu Neonazis: „Es gab einfach keine heiße Spur“

Berlin (dpa) - Bayerns früherer Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat Vorwürfe gegen ihn und die Landesbehörden im Umgang mit der Neonazi-Mordserie vehement zurückgewiesen. Es habe einfach keine heiße Spur gegeben, die den Anfangsverdacht eines fremdenfeindlichen Verbrechens bestätigte.

Das sagte er am Donnerstag vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss in Berlin. „Aber ich habe keine substanziellen Vorwürfe an die ermittelnden Behörden zu machen.“ Der 68-Jährige räumte ein, die Übergabe der Ermittlungsführung von der bayerischen Sonderkommission Bosporus an das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2006 abgelehnt zu haben.

„Ich hätte es im Jahr 2006, als die Ermittlungen äußerst heiß gelaufen waren, für einen schweren Fehler gehalten, im laufenden Galopp die Pferde zu wechseln“, sagte Beckstein. Diese Beurteilung hätten alle Länder geteilt. „Im übrigen hätte das BKA jederzeit übernehmen können, wenn es gewollt hätte“, sagte Beckstein. Und hätte das Bundesinnenministerium so eine Übertragung angeordnet, hätte er dies nicht verhindern können. Er bezweifele aber bis heute, ob 20 BKA-Beamte die Ermittlungen besser geführt hätten als insgesamt 200 Landesbeamte, sagte Beckstein, der als erster Politiker vor dem Untersuchungsausschuss zur Neonazi-Mordserie aussagte.

Diese Frage der Übergabe sei damals aber nicht im Streit entschieden worden. Alle hätten sich schnell darauf geeinigt, dass die Federführung bei der Soko bleibe und eine ergänzende Ermittlungsgruppe beim BKA eingerichtet werden solle. Auch das BKA habe dem nicht widersprochen. Das Wort „Kriegserklärung“ sei in diesem Zusammenhang von ihm nicht verwendet worden, beteuerte der CSU-Politiker. Ausschussmitglieder hatten berichtet, dass sich in BKA-Akten von damals ein Vermerk befinde, dass Beckstein es als „Kriegserklärung“ empfunden hätte, wenn er die Ermittlungsführung an das BKA hätte übergeben müssen.

Den Rechtsterroristen werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen. Fünf Morde wurden in Bayern begangen, weshalb das Verhalten der bayerischen Behörden und die Arbeit der bayerischen Soko Bosporus zunächst im Mittelpunkt des Ausschusses stehen. Ausschussmitglieder werfen den Ermittlern auch in Bayern vor, die These Fremdenfeindlichkeit als Tatmotiv nur am Rande verfolgt zu haben. Insbesondere habe das Landesamt für Verfassungsschutz versagt und die Arbeit der Soko Bosporus nicht ausreichend unterstützt.

Der Obmann der Grünen im Ausschuss, Wolfgang Wieland, kritisierte, Beckstein habe nicht erklären können, warum er sich gegen die Übergabe der Ermittlungen an das BKA gesträubt habe. „Das klingt nach Länderegoismus und ist so auch nicht akzeptabel.“ Auch der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte, die Länder hätten offenkundig ein Eigeninteresse daran gehabt, die Fäden nicht aus der Hand zu geben. Das sei aber die falsche Entscheidung gewesen.