Berlin für enge Zusammenarbeit mit IT-Branche
München (dpa) - Regierung und Wirtschaft wollen gemeinsam die Digitalisierung Deutschlands vorantreiben.
„An der Schnittstelle zwischen einer außergewöhnlich starken Realwirtschaft und den Anwendungen im Internet, da liegt unsere große Chance“ sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag auf dem zum sechsten Mal veranstalteten IT-Gipfel. Zentrale Themen der Konferenz in München mit mehr als 1000 Teilnehmern waren IT-Lösungen für Energieversorgung, Verkehr und Verwaltung, außerdem die Netz-Infrastruktur und der Datenschutz. Der nächste IT-Gipfel soll in einem Jahr in Essen stattfinden.
„Wir sind im internationalen Vergleich nicht so schlecht“, sagte Merkel mit Blick auf eine zum Gipfel vorgelegte Studie, wonach der IT-Standort Deutschland in diesem Jahr vom siebten auf den sechsten Platz geklettert ist. Aber da es in anderen Regionen wie Indien eine große Marktdynamik gebe, sei es wichtig, „dass Politik und Wirtschaft in diesem Bereich engstens zusammenarbeiten“.
Als zentrale Aufgabe wurde auf dem IT-Gipfel immer wieder der Ausbau der Netz-Infrastruktur genannt. Merkel sagte, dies sei von großer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Schnelle Internetverbindungen mit mehr als 50 Megabit pro Sekunde sollen der Volkswirtschaft einen kräftigen Schub geben. Bis 2014 sollen mindestens 75 Prozent der Haushalte den Zugang zu solchen Hochleistungsnetzen zu ermöglichen. Zurzeit seien die technischen Voraussetzungen für 41 Prozent geschaffen, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Für die Telekommunikationsunternehmen bedeutet der Netzausbau Investitionen in Milliardenhöhe.
„Wir wollen als Staat keine Netze bauen, aber es geht um eine kluge Regulierung“, sagte Rösler vor den mehr als 1000 Teilnehmern des sechsten IT-Gipfels. „Hier wird es noch einiges zu tun geben.“ Der Wirtschaftsminister kündigte für Anfang 2012 ein Spitzentreffen mit der Wirtschaft ein, bei dem es darum gehen soll, den Ausbau des neuen Mobilfunknetzes LTE voranzutreiben. Mit LTE kann die 50-Megabit-Vorgabe über Funk erreicht werden; bei den Leitungen soll das Ziel vor allem mit Hilfe der Glasfasertechnik erreicht werden.
Als Gastgeber des IT-Gipfels forderte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer von der Bundesregierung, „dass die Netzregulierung in Deutschland einfach investitionsfreundlicher gestaltet werden muss“. Man könne die Netzbetreiber nicht mit Regulierungsvorgaben knebeln und anschließend Milliardeninvestitionen von ihnen erwarten.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Informations- und Telekommunikationstechnik im Mittelfeld. Nach der TNS-Infratest-Studie belegt Deutschland zusammen mit Schweden den sechsten Platz und erreicht über 23 unterschiedliche Kriterien hinweg insgesamt 56 Prozent der bestmöglichen Werte. Im vergangenen Jahr lag Deutschland in dieser zum IT-Gipfel vorgestellten Studie noch auf dem siebten Platz, die Index-Wertung hat sich gleichwohl verschlechtert - 2010 war noch ein Ergebnis von 57 Prozent erreicht worden.
Gut abgeschnitten habe Deutschland bei der Internet-Werbung (Rang 3), in der Verbreitung des Mobilfunks (Rang 4) und beim Weltmarktanteil (Rang 4), sagte TNS-Infratest-Direktorin Sabine Graumann. Schlechter schneidet Deutschland beim E-Government (Rang 10), also bei der Nutzung der Informationstechnik in der öffentlichen Verwaltung, sowie bei der Nutzung Sozialer Netzwerke (Rang 13) ab. Der Abstand Deutschlands zum Spitzenreiter Südkorea beträgt 14 Indexpunkte. Auf dem zweiten Platz liegen die USA, danach folgen Großbritannien, Dänemark und Japan.
Die IT-Branche drängte die Regierung, ein schnelleres Tempo anzuschlagen bei der Umsetzung zentraler Infrastrukturprojekte. Dazu gehört auch der mit dem Atomausstieg besonders aktuelle Plan, mit einem „Smart Grid“ (intelligentes Netz) Stromversorgung und -verbrauch mit Hilfe von digitalen Messtechniken besser als bisher aufeinander abzustimmen. Zentrale Gipfel-Themen waren ferner die noch verbliebenen Lücken im Breitbandnetz, das neue Internet-Protokoll IPv6, die Cybersicherheit, Projekte zum Bürokratieabbau sowie der Datenschutz.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto, sprach sich auf dem IT-Gipfel für eine Reform des Datenschutzgesetzes aus: „Unser jetziges Datenschutzgesetz ist aktualisierungs- und renovierungsbedürftig“, sagte Otto. „Wir können die Menschen nur dann mitnehmen, wenn sie sicher sein können, dass ihre Daten nicht missbraucht werden.“ Der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Dieter Kempf, sprach sich allerdings auch für „Augenmaß beim Datenschutz“ aus und fragte mit Blick auf unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern: „Weshalb interpretieren wir das Datenschutzrecht in Deutschland 16 Mal unterschiedlich?“