Leichter Dämpfer für Gabriel - weniger Stimmen bei Wiederwahl
Der Parteichef erhält bei seiner Wiederwahl weniger Stimmen als 2009 — ein Rückschlag im Rennen um die Kanzlerkandidatur?
Berlin. Als der Beifall nicht abebben will, stürmt der Gefeierte noch einmal aufs Podium. „Lasst das doch sein, das müsst ihr nicht. Wenn ihr nicht gleich aufhört, kommen wir zu spät zum Parteiabend“, dämpft Sigmar Gabriel die Begeisterung. Noch in Siegerpose ruft er auch Generalsekretärin Andrea Nahles nach oben. Doch einer will trotz einer deutlichen Ermunterung des Parteichefs nicht dazukommen: Peer Steinbrück bleibt an seinem Platz in der ersten Parteitagsreihe.
90 Minuten hat Gabriel versucht, die Genossen für sich einzunehmen. Durchweg spürbar war dabei auch die Absicht, allen klarzumachen, dass er noch im Rennen um die Kanzlerkandidatur ist — der Partei und den zwei potenziellen Mitbewerbern: Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Bundestags-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.
Vorher heißt es bei SPD-Granden — und zwar nicht bei den Mitbewerbern: Gabriel wolle deshalb unbedingt noch ein besseres Ergebnis als bei seinem Traumstart vor zwei Jahren in Dresden bekommen. Dies könne dann sogar so etwas wie der sofortige Aufschlag für die eigene Spitzenkandidatur 2013 sein.
Doch diesen Gefallen tun ihm die Delegierten nicht. 2,6 Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren in Dresden. Immer noch sehr ordentlich. Ein Triumph sieht aber anders aus. Steinmeier gratuliert Gabriel als Erster mit einer Umarmung. Doch der wirkt irgendwie angekratzt. Sein einziger Satz an das Parteivolk, der Dank „für das große Vertrauen“, fällt auffällig knapp aus.
Sigmar Gabriel, SPD-Chef, zu Helmut Schmidt und die Kanzlerkandidatur der Partei für 2013
Das sei ein „ehrlicheres Ergebnis“ als beim letzten Mal, erklärt Gabriel hinterher. Er sei schließlich auch in der eigenen Partei nicht Everybody’s Darling. Spekuliert wird, dass zirkulierende Berichte über Kungelgeschäfte mit der SPD-Linken bei den noch zur Abstimmung stehenden Konfliktthemen Rente und Steuern ihn einige Prozente gekostet haben.
Bei seiner Rede hat Gabriel leichtes Spiel, obwohl es nach dem fast schon historischen Auftritt von Helmut Schmidt keine Selbstverständlichkeit ist, den Spannungsbogen zu halten. Doch der Parteichef ist der beste Redner, den die SPD derzeit aufzubieten hat.
Meist mit Ironie streift er das inoffizielle Kandidaten-Casting auf dem Parteitag. Gleich zu Anfang verspricht er dem anwesenden französischen Präsidentschaftsbewerber Francois Hollande, demnächst werde es wohl wieder einen „sozialdemokratischen Bundeskanzler oder eine sozialdemokratische Bundeskanzlerin“ geben. Da weiß er noch nicht, dass ihn seine Stellvertreterin Hannelore Kraft bei der Wahl mit einem Spitzenergebnis überflügeln wird. Einige in der Partei haben die populäre Ministerpräsidentin aus Düsseldorf noch im Köcher, wenn es um die K-Verteilung geht.
Erst gegen Ende kommt Gabriel von selbst noch einmal auf das Thema K-Frage zurück. „Ich habe Helmut gefragt. Er wollte nicht.“ Der Hinweis auf Altkanzler Schmidt sorgt für viele Lacher. Zugleich mahnt Gabriel die Genossen zu Gelassenheit: „Lasst den Medien ihren Spaß. So bleiben wir im Gespräch.“
Er werde jedenfalls den Personalvorschlag machen. „Und dann wird die Partei entscheiden“, ruft Gabriel unter langem Beifall aus. Diese Reihenfolge bedeute aber nun nicht, „dass ich verzichte“, schiebt er für alle Fälle hinterher.